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Happy Family

Happy Family

Titel: Happy Family Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Safier
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umbringen?
    « NEIN !», schrie ich panisch und holte zum Schlag aus. Aber sie brabbelte einfach seelenruhig weiter: «Enver ti terici …»
    Das Amulett strahlte nun so hell, dass es mich blendete. Ich konnte nichts mehr sehen, schlug aber dennoch zu, ich wusste ja, wo sie stand … doch meine Faust traf sie nicht. Nicht etwa, weil ich schlecht gezielt hatte. Nein, die Hexe verschwand einfach. Die blöde Kuh löste sich in Luft auf! Da mein Schlag ins Leere ging, wurde ich von meinem eigenen Schwung umgerissen, verlor das Gleichgewicht und kam ins Straucheln. Mein rechter Fuß stolperte über den Rand des Daches, dann folgte der linke. Und ich fiel hinab in die Tiefe.

    Mit dem Kopf voran sauste ich hinunter, der Wind zischte in meinen Ohren. Überraschenderweise hatte ich keine Angst mehr. Stattdessen war ich nur unendlich traurig: Mein Leben war noch gar nicht richtig losgegangen.
    Gerne hätte ich geheult, aber es kamen keine Tränen. Am liebsten hätte ich noch mehr geheult, weil ich nicht heulen konnte.
    Aber vielleicht, so schoss es mir plötzlich durch den Kopf, wollte mein Körper mir auch etwas damit sagen, so etwas wie: «Flenn nicht immer rum, blöde Kuh! Du hast schon dein ganzes Leben damit verschwendet, dich selbst zu bemitleiden, und dadurch nicht richtig losgelegt. Jetzt lass wenigstens die letzten Sekunden das Rumgeheule bleiben.»
    Und mein Körper hätte, wenn das seine Botschaft war, damit total recht gehabt! Ich hatte immer nur gejammert. Stattdessen hätte ich mal den Hintern hochbekommen und mein Leben verändern sollen! Schule schmeißen, auf Reisen gehen, wie Cheyenne es getan hatte, die, nebenbei gesagt, mit ihrem Leben viel glücklicher war als Mama.
    Genau, das war mal ein Plan! Es zu machen wie Cheyenne: von zu Hause abhauen, die Welt sehen und dabei herausfinden, was mich erfüllt und mich glücklich macht!
    «Es gibt nichts Gutes, außer: Man tut es», hatte irgendein Autor, den wir im Deutschunterricht durchgenommen hatten, mal gesagt. Wer war das gleich noch mal gewesen? Goethe? Schiller? Völligwurscht?
    Blöd nur, dass einem solch kluge Erkenntnisse erst kommen, wenn man nur noch sieben Sekunden zu leben hat. «Besser spät als nie» ist in so einer Situation auch nicht gerade ein Trost.
    Darüber wollte ich jetzt auch nicht rumjammern und die restlichen Augenblicke meines Lebens keine Heulsuse sein. Ich wollte dem Tod tapfer begegnen. Doch mit einem Male packte mich etwas am Fußgelenk, mein Fall wurde abrupt gestoppt. Ich riss die Augen auf und sah, wie ich mich mit meinem Gesicht voran der Hotelwand näherte. Ich schrie: « AHH », aber das half natürlich nichts, ich knallte mit meinem Kopf gegen die Mauer. Es tat unglaublich weh.
    Gleich darauf hörte ich Jacqueline von weiter oben her sagen: «Gut, dass sie kein echter Mensch mehr ist, sonst würde ihr Gesicht jetzt aussehen wie Pizza Margherita ohne Käse.»
    Ich blickte hoch und erkannte, dass ich kopfüber in der Luft baumelte und Papa, der an einem offenen Fenster mit dem Rest unserer Reisegruppe stand, mich am Fußgelenk festhielt. Offensichtlich hatten sie alle meinen Streit mit der Hexe gehört, und Papa hatte mich im freien Fall gepackt und mir so das Leben gerettet!
    Nachdem er mich durch das Fenster reingezogen hatte, fiel ich ihm überglücklich in die Arme. Papa lachte laut dröhnend und drückte mich so fest an sich, dass ich röchelte. So lange, bis Mama sagte: «Ich glaube, du kannst sie langsam loslassen.»
    Das war ein Glaube, dem ich mich anschließen konnte.
    Papa ließ tatsächlich los. Noch bevor ich meinen Brustkorb auf Quetschungen untersuchen konnte, umarmte mich Mama und weinte sogar ein paar Tränen der Erleichterung: «Mein Schnuffel … mein armes Schnuffel …»
    Beinahe hätte ich sogar mitgeflennt, aber da fiel mir ein, was ich beim Sturz begriffen hatte: Meine Tage als Heulsuse mussten endlich vorbei sein! Ich löste die Umarmung und schob Mama etwas von mir weg, was sie irritierte. Ich sah sie mir an, und mir fiel wieder der Streit ein, den wir vorhin hatten. Es tat immer noch weh, dass sie am liebsten eine andere Tochter haben wollte. Dank des Sturzes war mein Hirn durchgelüftet, und mir wurde nun klar, wie es uns beiden besser gehen könnte, wie genau ich mein Leben endlich in die Hand nehmen sollte: Ich musste weg von ihr. Weit weg. Von allem. Die Welt entdecken. Wie Cheyenne.
    «Wo ist eigentlich Baba Yaga?», unterbrach Max meine Gedanken.
    «Die hat einen Verschwindibus-Zauber

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