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Happy Family

Happy Family

Titel: Happy Family Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Safier
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Glück empfunden, das man mit ihnen haben kann.
    «Hast du es eigentlich nie bereut, keine Kinder bekommen zu haben?», fragte ich sie.
    Cheyenne stutzte kurz, dann antwortete sie: «Na ja, ich hab mal gelesen, dass Menschen mit Kindern länger leben.»
    «Wirklich?», fragte ich.
    «Ja, aber sie werden auch schneller alt.»
    Ich musste lachen, und sie lachte mit. Dennoch spürte ich genau, dass sie damit nur ihre eigene Wehmut überspielen wollte.
    «Wolltest du nie welche?», fragte ich nach.
    «Nur mit einem einzigen Mann. Aber es hat sich nicht ergeben», erzählte sie, darum bemüht, so neutral wie möglich zu klingen.
    «Doch nicht etwa mit Dracula?», fragte ich erschrocken.
    Cheyenne schüttelte vehement den Kopf, aber sie verriet auch nicht, wer der Mann sonst gewesen sein sollte, wenn nicht der Fürst der Verdammten. Wir schwiegen eine Weile, und dann erklärte sie: «Ich wünschte, ich wäre du.»
    Das verblüffte mich: «Weil ich so eine Familie habe?»
    Cheyenne lachte laut los: «Wegen der …? Du darfst eine alte Frau mit Inkontinenzproblemen nicht so zum Lachen bringen!»
    «Weswegen denn dann?», fragte ich verwirrt.
    «Du bist ein Vampir. Du hast ein unsterbliches Leben …» Sie wirkte nun sehr melancholisch. Kein Wunder, war sie doch so alt, dass sie nicht mehr allzu viel an Leben vor sich hatte. Würde ich mich im Alter vielleicht selbst verfluchen, dass ich Draculas Angebot der ewigen Jugend ausgeschlagen hatte? Wenn ich mit Blasenschwäche, Rheuma und Warzen auf dem Stuhl bei meinem Krankenkassensachbearbeiter saß und mich mit ihm über die Finanzierung meiner dritten Zähne stritt?
    «Und du kannst Sex mit Dracula haben.» Ihre Augen leuchteten bei der Erinnerung an ihren eigenen, den sie einst mit ihm gehabt hatte.
    «Ist er wirklich so gut?», fragte ich und bereute im nächsten Augenblick, dass ich so neugierig war. Solche Fragen sollte man nicht stellen, wenn man die Schlüssel zum Herzen seiner Familie suchte.
    «Bevor ich Vlad kannte», antwortete Cheyenne, «hatte ich noch nicht mal von dem Begriff ‹multiple› gehört.»
    Auch ich kannte das Wort nur aus Frauenzeitschriften. Ich konnte nicht anders: Für eine Sekunde stellte ich mir vor, wie ich mit Dracula schlafen würde. Wenn eine simple Handbewegung von ihm mich schon so elektrisieren konnte, was würde dann erst passieren, wenn wir beieinanderlagen? In meinen Gedanken erschien eine Filmmontage aus Vulkanausbrüchen, Silvesterfeuerwerken und Zitteraalen.
    «Und sein Dingeling ist enorm», redete Cheyenne weiter, «wie eine Unterwasserkreatur.»
    «Unterwasserkreatur?»
    «Eine aus einem Jules-Verne-Roman.»
    «Brr», war meine erste Reaktion auf diese Metapher.
    «Nein, nicht ‹brr›», grinste sie, «sondern jippie!»
    «Jippie?», fragte ich.
    «Oder yappadappaduh.»
    «Dann lieber jippie.»
    «Das hat Dracula auch gesagt.»
    Damit ich den nackten Dracula und seine Unterwasserkreatur aus meinem gedanklichen Bett vertreiben konnte, blickte ich über meine Schulter zu Frank. Der schnarchte vor sich hin und war leider kein verführerischer Anblick. In seiner jetzigen Gestalt waren seine Berührungen grob, und auch in seinem ursprünglichen Format hatte er mich mit seinen Händen nie so berührt wie der Fürst der Verdammten.
    Mein Gott, ich besaß einzig und allein den Schlüssel zu Franks Herz, und ein Teil von mir wollte den auch noch wegschleudern wegen Dracula? Das durfte nicht sein! Ich musste mich zusammenreißen. Dann würde ich gewiss stolz sein, wenn ich als altes klappriges Weib dem Sachbearbeiter der Krankenkasse erklärte, dass ich auf Unsterblichkeit und alles «multiple» verzichtet hatte für meine Ehe. Und es würde mir gewiss auch nichts ausmachen, wenn der Sachbearbeiter mir dann den Vogel zeigen würde.
    Ja klar, gewiss. So gewiss, wie ich die Schlüssel zu den Herzen meiner Kinder finden würde. Und so gewiss, wie wir die Hexe besiegen würden … und so gewiss sich die Sonne um die Erde drehte.
    Ich seufzte.
    Cheyenne seufzte mit mir.
    Und so fuhren wir im Seufzduett nach Wien hinein.

    «Madame Tussauds» befand sich auf dem Pratergelände gleich in der Nähe des Riesenrades, dessen Gondeln in der Morgenluft hin- und herschwangen. Im Gegensatz zum Riesenrad hatte das Wachsfigurenkabinett noch geschlossen. Vor dem Gebäude patrouillierte lediglich ein massiger Wachmann. Er trug schwarze Uniform, Glatze, Ziegenbart und einen Schlagstock, kurzum, er war ein Kerl der Sorte «Es gibt kein Problem auf der

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