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Happy Family

Happy Family

Titel: Happy Family Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Safier
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ließ einen weiteren schwarzen Blitz aus ihrem Zeigefinger schießen und rief: «Translat.»
    Damit hatte sie wohl den Zweikanalton ihres magischen Fernsehbildes auf Deutsch geschaltet, jedenfalls konnte ich den zappeligen alten Mann nun verstehen: «… und Dracula wird die Vampirin mit Seele ehelichen.»
    Das klang erst mal noch nicht furchtbar.
    «Und Dracula wird mit ihr Kinder kriegen», fuhr Haribo aufgeregt fort.
    Kinder? Da wusste ich nicht, ob ich das wollte. So weit war ich gedanklich noch nicht. Noch lange nicht.
    «Tausend Kinder!», rief der Weissager.
    Tausend?
    «Und Abertausende!»
    Da staunte die Gebärmutter.
    «Und mit diesen Kindern wird der Vampir ohne Seele eine Horde schrecklicher Wesen haben, mit denen er sich die Erde untertan macht und die Menschheit vernichtet.»
    Ich hätte mir jetzt Gedanken darüber machen können, dass Dracula keine Seele besaß.
    Oder dass er eine Armee zusammenstellen würde, um die Welt zu erobern.
    Aber mein Hirn hing immer noch bei den Worten «Abertausende Kinder» in Schockstarre fest.
     
    Der wirre Haribo redete weiter auf seine Neandertaler ein mit anderen Prophezeiungen von der schrecklichen Zukunft: Er warnte vor Massenvernichtungswaffen, Schweinegrippe und Privatfernsehen. Es war also kein Wunder, dass die Neandertaler beschlossen hatten auszusterben.
    Als das Bild schließlich verschwand, fragte die Hexe: «Du sehen, was Dracula mit dir vorhaben?»
    «Das muss doch alles gar nicht stimmen!», erwiderte ich. «Ich mein, der Haribo sieht doch aus, als ob er Goldbärchen zerstampft und die dann raucht …»
    Ich wollte es einfach nicht glauben: Erst hatte Frank mich betrogen, und nun sollte gleich auch noch Draculas Liebe zu mir eine einzige Lüge sein? Wie sollte ich das alles verkraften? Erst meine Familie zu verlieren und dann noch die wunderbare Alternative dazu?
    «Du brauchen weiteren Beweis?», fragte die Hexe.
    «Da bin ich mir nicht sicher …», erwiderte ich überfordert.
    «Du brauchen einen!», stellte die Hexe fest.
    Sie nahm wieder ihr Amulett, brabbelte etwas, und diesmal schoss aus ihren Händen ein Rauch, der nach Schwefel stank und uns einnebelte. Kaum waren wir vollständig umnebelt, waren wir auch schon weg vom Pool …
    … und befanden uns mit einem Male in einem Verlies, wie es klassischer nicht hätte sein können. Es bestand aus dunklen Stollengängen, die nur von Fackeln beleuchtet waren und nach Moder rochen. In diesen Gängen gab es Erdhöhlen, die mit schweren Eisengittern befestigt waren. Hinter diesen Eisengittern vegetierten ganz und gar unklassische Gefangene vor sich hin. Es waren kleine ausgemergelte Geschöpfe, manche kaum größer als zehn Zentimeter, die da leise wimmerten.
    «Was … sind das für Wesen?», wollte ich wissen, als ich meine Sprache endlich wiedergefunden hatte.
    «Elfen, Feen, Schutzengel … Dracula haben alle gefangen genommen», erklärte Baba. «Alle Wesen, die Menschen helfen, seien Feinde von ihm.»
    Ich betrachtete mir die armen gepeinigten Wesen genauer. Und tatsächlich: Es waren kleine, heruntergehungerte Schutzengel, denen man die Flügel ausgerissen hatte, Elfen mit verstümmelten Spitzohren und einstmals anmutige Feen mit Brandzeichen am ganzen Körper. Alle starrten durch uns hindurch, als ob sie uns gar nicht mehr wahrnahmen. Ihr Wille war schon vor langer Zeit gebrochen worden. Dieses Verlies war ein Kabinett des Schreckens, das selbst Stephen King um den Schlaf gebracht hätte. Doch der größte Horror war: Ich hatte mit dem Mann, der es erschaffen hatte, geschlafen.
    Oh mein Gott, wie sehr ich mich nach einer Dusche sehnte.

[zur Inhaltsübersicht]
MAX
    Den ganzen Vormittag durfte ich Gorilla Gorr das Fell nach Läusen, Wanzen und anderem parasitären Ungeziefer durchflöhen. Aber im Vergleich zu dem, was ich dann nachmittags im Zirkus der Abnormitäten erleben durfte, war diese Reinigung geradezu ein euphorisierendes Erlebnis gewesen. Der Liliputaner, jetzt für die Hitze völlig unpassend gekleidet mit Hut und Trenchcoat, führte mich in das Zirkuszelt, das an vielen Stellen notdürftig geflickt war, und erklärte: «So, Rexi, jetzt wollen wir mal mit dir deine Nummer einstudieren.»
    Zu diesem Zeitpunkt hätte es mir bereits zu denken geben müssen, dass die siamesischen Zwillinge, die oben am Trapez hin- und herschwangen, mit maliziöser Vorfreude grinsten. Aber noch war ich im festen Glauben, dass wenigstens die Zirkusvorstellungen, in denen ich von nun an als parlierender

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