Happy Family
verliebter Teenager, meine zornigen Gedanken.
«Und was?», wollte ich wissen.
«Mein Heim!»
Er deutete auf ein Schloss, das jetzt ins Blickfeld kam. Es stand auf einem Hügel und wirkte mit seinen vielen Türmen majestätisch, würdevoll, einfach atemberaubend. Dagegen war das englische Landhaus, in das Lena mit ihrem englischen Verlobten gezogen war, sicher total popelig.
«Whao …», rief ich aus.
«Warte erst mal, bis du den Wellnesstempel siehst», lächelte Dracula.
«Du hast einen Wellnesstempel?» Das fand ich noch toller als den eigenen Weinberg.
«Mit römischem Bad, griechischer Therme, ayurvedischer Sauna. Und das Schönste ist: Durch spezielle Glasdächer wird das Sonnenlicht so gefiltert, dass es uns nichts anhaben kann, wenn wir an meinem Meerwasser-Pool liegen. Wir können die Sonne genießen, ohne dass sie uns schmerzt.»
«Das klingt wundervoll», seufzte ich sehnsüchtig.
«Das ist es auch. Aber du wirst noch etwas viel Wundervolleres genießen.»
«Und was?», fragte ich neugierig.
«Meine Massagekünste.»
Genießen war ja so was von untertrieben.
Dracula verabreichte mir sinnliche Massagen in dem Orchideengarten seines Schlosses (ich fragte mich gar nicht mal mehr, wie er es schaffte, so einen in den Bergen Transsilvaniens anzulegen). Seine Hände waren wundervoll zärtlich, und ihm gelang es sogar, meine Kniescheibe in eine erogene Zone zu verwandeln. Nach der Massage liebten wir uns in seinem mit exquisiten Düften aromatisierten römischen Bad. Und anschließend in dem mit exquisiten Düften aromatisierten Whirlpool. Gut, dass mein neuer Körper so ausdauernd war!
Wenn wir so weitermachten, würde es zwischen Frank und mir bald 8:8 stehen. Dann müsste ich mir vielleicht doch mal Gedanken über ein schlechtes Gewissen machen. Aber bis dahin, so hatte ich mir fest vorgenommen, wollte ich von meinem Gewissen nichts wissen.
Als wir dann am frühen Nachmittag aus dem Whirlpool stiegen, legte Dracula mir einen flauschigen Bademantel um und ließ mir exquisiten aromatisierten Tee servieren. Dann bat er: «Entschuldige mich bitte, ich muss mich um berufliche Angelegenheiten kümmern.»
«Aber komm bald wieder!», hob ich spielerisch den Zeigefinger und kicherte dabei albern wie ein Schulmädchen.
Ich saß jetzt allein am Pool unter dem transparenten Glasdach, das die Sonne angenehm filterte, und genoss die Sonnenstrahlen auf meinem Gesicht.
Ja, Sonne, Pool und Wellness. Drei-Sterne-Menüs und Reisen in exotische Länder. Keine Cellulite an Schenkeln und Po, dafür aber phantastischer Sex mit einem charmanten und gutaussehenden Mann – und als Kirsche auf dem Kuchen war ich auch noch unsterblich. Das Leben als Vampirin war wunderschön!
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EMMA
Dracula ließ auf sich warten. Aber das war erst mal nicht schlimm, versorgte mich doch sein Diener Renfield den halben Nachmittag mit Zeitschriften, Kopfmassagen und köstlichsten Pralinees (bei Letzteren hoffte ich doch sehr, dass Vampire nicht dazu neigten, Hüftgold anzusetzen).
Als Renfield die Kopfmassage beendet hatte und verschwand, stand ich auf und blickte in den Pool, der so wunderschön klar und blau war, dass er gewiss David Hockney zu einem Schwung neuer Bilder animiert hätte. Ich genoss den Anblick, mich störte es nicht mal mehr, dass ich mich in dem Wasser nicht spiegeln konnte.
Plötzlich zersplitterte über mir mit einem lauten Krachen das transparente Glas, das die Sonnenstrahlen abhielt. Etwas Großes sauste auf mich zu. Reflexhaft sprang ich zur Seite. Das Etwas – es sah aus wie ein menschlicher Körper – knallte auf den Beckenrand, von da rutschte es in den Pool und sank darin leblos zu Boden. Das Ganze erschreckte mich unglaublich. Da das Glas zerborsten war, brannte die Sonne unbarmherzig auf mich herab. Zwar nicht so schlimm wie in Ägypten, aber ich beschloss dennoch, ins Wasser zu springen und mich vor der Strahlung in Sicherheit zu bringen.
Beim Hinabtauchen streifte ich meinen Bademantel ab, und als ich nur in Unterwäsche bekleidet langsam zum Boden schwamm (als Vampir brauchte ich ja keine Atemluft und musste mich daher auch nicht beeilen), erkannte ich, wer da zu ertrinken drohte: Es war Baba Yaga!
Mein Gott, wir hatten sie durch halb Europa gejagt, und jetzt lag sie bewusstlos vor mir, Luftblasen stiegen aus ihrem Mund. Mitleid hatte ich kaum. Meine Gefühlslage war eher so, wie wenn man im Fernsehen eine Reportage über Kinder im Krieg sieht und sich fragt, ob in einem
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