Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Harald Glööckler - Glööckler, H: Harald Glööckler

Titel: Harald Glööckler - Glööckler, H: Harald Glööckler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Stella Harald;Bongertz Glööckler
Vom Netzwerk:
werde ich fast ohnmächtig. Da sind die siebzehn Spiegel, ich muss sie nicht zählen und weiß doch, dass es siebzehn sind. Die Deckengemälde am Gewölbe. Und da vorn, in der Mitte, da geht es zum Schlafzimmer des Königs. Alles verwandelt sich, ich sehe Frauen in Reifröcken, Männer in seidenen Anzügen, irgendwo spielt Musik. Ich will loslaufen, der König erwartet mich. Doch es fasst mich jemand am Arm.
    »Harald, ist alles in Ordnung?«, fragt Frau Singer.
    »Ja, schon. Ich war nur schon mal hier.«
    An den Sonntagen, an denen ich nicht bei meiner Tante Katharina war, fuhr ich ab sofort nach Maulbronn. Alle paar Wochen machten wir einen Ausflug. Mal wanderten wir direkt in Maulbronn los und erkundeten die Umgebung, beim nächsten Mal nahmen wir Frau Singers Passat, um weiter weg zu fahren. Dann quetschten wir uns zu viert auf den Rücksitz, nur Stefan saß immer vorn bei seiner Mutter. Das Ziel war fast immer irgendeine Ritterburg oder ein Schloss. Ich weiß nicht, ob Frau Singer nach dem Paris-Trip mir zuliebe diese Ziele aussuchte, denn sie merkte natürlich, dass ich diese Begeisterung für alles, was irgendwie »königlich« war, hatte. Andererseits waren ihre Sprösslinge selbst längst Feuer und Flamme für vergangene prunkvolle Zeiten. Frau Singer erzählte uns auch viele Geschichten. Sie berichtete von Mata Hari und Anastasia.
    Besonders Anastasia hatte es mir angetan. Sie hatte mit ihrer Familie sogar eine Weile im Schwarzwald gelebt – ganz in der Nähe. Ich kam immer wieder auf die junge Zarentochter zu sprechen, die ich mir schillernd, schön und mondän vorstellte. Ich löcherte Frau Singer damit und erfuhr so alles über das Leben der Großfürstin und die Legende, dass das Mädchen nicht im Alter von siebzehn Jahren mit der restlichen Zarenfamilie ermordet worden war, sondern unter anderer Identität überlebt hatte. Diese Geschichte fand ich ungeheuer aufregend. Anastasia hatte als unerschrocken und rätselhaft gegolten, anders als alle anderen. Genauso fühlte auch ich mich.

LEBEN IM HORRORFILM
    I ch sitze im Zug, auf dem Rückweg von Großmutter in Illingen. Die erste Klasse ist ganz leer, ich habe mich einfach hineingesetzt. Das mache ich oft, der Schaffner sagt selten etwas. Hier sind die Sitzbezüge aus Plüsch und ganz weich. Es ruckelt, und ich verfolge, wie die Landschaft vor dem Fenster vorbeizieht. Ich bin müde. Plötzlich ist es dunkel, nur ein schwacher Lichtschein sickert noch herein. Das Ruckeln nimmt zu, ich spüre einen Luftzug. Szenenwechsel! Die hellblauen Seidenvorhänge wehen ins Innere der Kutsche. Ich stecke den Kopf durch das Fenster und sehe sechs schwarze Pferde, die wie der Blitz laufen. In der Ferne taucht das weiße Schloss auf, die Freitreppe wird größer, als wir uns nähern. Alles ist hell erleuchtet, Gäste strömen herbei. Als wir anhalten, steige ich aus. Ich höre Musik, ein Ball ist im Gange. Mein Kleid ist aus hellblauer Seide, darauf sind Brillanten gestickt, auch auf meinem Dekolleté glitzern Brillanten und ein Medaillon, ich trage Ringe und Armreife. Männer mit Perücken und Frauen mit Reifröcken verneigen sich. Im Saal, den ich nun betrete, befinden sich unzählige Spiegel mit verzierten Rahmen. Ich erkenne mein Spiegelbild, eine schöne junge Frau mit einer aufgetürmten Frisur, ich weiß, ich bin die Geliebte des Königs. Ich gehe in meine Gemächer und ziehe die schweren Samtvorhänge auf. Ich erschrecke, denn da steht plötzlich der Schaffner vor mir: »Aussteigen, junger Mann, wir sind da.«
    Als ich durch die Hintertür hereinkam, die in unsere Restaurantküche führte, hörte ich sie sofort. »Mein Gott, diese Frau wird ja wohl einmal im Jahr etwas hinkriegen!« Die Mutter meines Vaters echauffierte sich.
    Diese Frau , damit war meine Mutter gemeint. Ich fühltemich hilflos und wollte Mama verteidigen, hatte aber das Gefühl, damit vielleicht alles noch schlimmer zu machen. Also hielt ich mal wieder den Mund. Großmutter ließ kein gutes Haar an ihrer Schwiegertochter – dabei störte es sie nicht, wenn ich in Hörweite war, ganz im Gegenteil. Sie versuchte immer wieder, mich auf ihre Seite zu ziehen und bei mir gegen Mama Stimmung zu machen.
    Natürlich glaubte ich die gemeinen Sachen nicht, die meine Großmutter über meine Mutter herumtratschte. Am liebsten hätte ich sie rausgeworfen oder wäre gegangen. Aber ich konnte ja mit acht Jahren nicht einfach sagen: »Adele, ich ziehe aus.« Wäre ich erwachsen gewesen, hätte ich den

Weitere Kostenlose Bücher