Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt
verwüsten, wieder abgeschlossen.«
»Wichtiges scheint ihnen nicht in die Hände gefallen zu sein, oder?«
»Sieht so aus«, sagte ich und schaute mich rings im Zimmer um. »Abgesehen von deinem Großvater. Und der ist, wenn wir schon von wichtig reden, am allerwichtigsten. Jetzt haben wir keine Möglichkeit mehr herauszufinden, was der Professor mir eingepflanzt hat. Wir sind in einer Sackgasse.«
»Nein«, sagte das dicke Mädchen, »die haben meinen Großvater nicht. Keine Angst. Das Labor hat einen Geheimausgang. Den hat mein Großvater bestimmt genommen, mit einem Signalgerät gegen die Schwärzlinge, wie wir es benutzen.«
»Woher willst du das wissen?«
»Beweisen kann ich es nicht, aber ich weiß es. Mein Großvater ist überaus vorsichtig, so leicht würde er sich nicht schnappen lassen. Bestimmt ist er, sobald sich jemand an der Tür zu schaffen machte, durch den Geheimausgang geflohen.«
»Dann ist er also jetzt draußen – oben?«
»Nein«, sagte das Mädchen. »So einfach ist die Sache nun auch wieder nicht. Der Fluchtweg ist verschlungen wie ein Labyrinth und führt am Nest der Schwärzlinge vorbei, nach draußen braucht man selbst bei größter Eile mindestens fünf Stunden. Das Signalgerät hält eine halbe Stunde, Großvater muss also noch unterwegs sein.«
»Es sei denn, die Schwärzlinge haben ihn geschnappt.«
»Das glaube ich kaum. Er hat für den Fall der Fälle einen sicheren Bunker angelegt, dem sich die Schwärzlinge unter keinen Umständen zu nähern wagen. Wahrscheinlich hält er sich da versteckt und wartet auf uns.«
»Das nenn ich Vorsicht, in der Tat«, sagte ich. »Weißt du, wo dieser Bunker ist?«
»Ich glaube schon. Mein Großvater hat mir genau erklärt, wie man hinkommt. Außerdem enthält das Notizbuch hier einen groben Lageplan – und Hinweise auf Stellen, wo Gefahren lauern.«
»Zum Beispiel welche?«
»Ich glaube, es ist besser, dir davon nichts zu erzählen«, sagte das Mädchen.
»Manche Leute werden sehr nervös, wenn sie solche Geschichten hören.«
Ich seufzte und verzichtete darauf, weiter nachzufragen, welche Gefahren das sein könnten. Ich war schon nervös genug.
»Wie lange braucht man bis zu der Zone, wo die Schwärzlinge sich nicht hintrauen?«
»Fünfundzwanzig, dreißig Minuten. Von da bis zum Versteck meines Großvaters noch einmal eine Stunde oder anderthalb. Sobald wir die Zone erreichen, sind wir in Sicherheit. Das Problem ist der Weg dahin. Wir müssen uns enorm beeilen, sonst halten die Batterien des Signalgerätes nicht.«
»Was passiert, wenn die Batterien unterwegs den Geist aufgeben?«
»Dann müssen wir auf unser Glück vertrauen«, sagte das Mädchen. »Die Lampen schwenken, damit die Biester nicht heran können, und rennen. Die Schwärzlinge hassen nämlich grelles Licht. Aber bei der kleinsten Unterbrechung im Lichtkreis schlagen sie mit den Klauen nach dir und schnappen dich. Oder mich.«
»Großartig«, sagte ich lahm. »Sind die Batterien aufgeladen?«
Das Mädchen prüfte die Ladeanzeige am Signalgerät und sah dann auf die Armbanduhr. »Noch fünf Minuten.«
»Wir müssen uns beeilen«, sagte ich. »Wenn meine Vermutung richtig ist, melden die Schwärzlinge den Semioten, dass wir hier sind, und dann kommen die Burschen umgehend zurück.«
Das Mädchen entledigte sich des Regenmantels und der Stiefel und zog die Army-Kampfjacke und die Joggingschuhe an, die ich eingesteckt hatte. »Zieh dich lieber auch um. Wir müssen jetzt beweglich sein, sonst kommen wir nicht durch«, sagte es.
Ich legte ebenfalls meinen Regenmantel ab, streifte die Windjacke über den Pullover und zog bis zum Hals den Reißverschluss zu. Dann schulterte ich den Rucksack und tauschte die Gummistiefel gegen Turnschuhe. Es war fast halb eins.
Das Mädchen ging ins hintere Zimmer, schmiss die Bügel, die im Wandschrank hingen, auf den Boden, umfasste mit beiden Händen die Stahlstange, an der die Bügel gehangen hatten, und drehte sie. Nach einer Weile knarzte es, als griffen Zahnräder ineinander. Nach einer weiteren Drehung in dieselbe Richtung tat sich rechts unten in der Rückwand ein Loch von etwa siebzig mal siebzig Zentimetern auf. Die Finsternis in dem Loch war so dicht, dass ich sie mit den Händen schöpfen zu können glaubte. Kalter Modergeruch wehte ins Zimmer.
»Ist das nicht gut gemacht?«, sagte die Kleine zu mir, die Hände noch um die Stange gelegt.
»Sehr gut sogar«, sagte ich. »Kein normaler Mensch käme auf die Idee, dass hier
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