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Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt

Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt

Titel: Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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ein Ausgang sein könnte.«
    Sie trat zu mir, machte sich lang und drückte mir einen Kuss unters Ohr. Mir wurde ein wenig wärmer zumute, und auch die Schmerzen in der Wunde schienen nachzulassen. Offenbar hatte sie eine besondere Stelle getroffen. Oder ich war einfach nur zu lange nicht mehr von einem siebzehnjährigen Mädchen geküsst worden.
    »Man muss nur glauben, dass alles gut geht, dann flößt einem nichts auf der Welt mehr Angst ein«, sagte sie.
    »Wenn man älter wird, nutzt sich so mancher Glaube ab«, sagte ich. »Das ist wie mit den Zähnen. Nicht, dass man unbedingt Skeptiker würde oder Zyniker, aber der Glaube nutzt sich ab.«
    »Hast du Angst?«
    »Ja«, sagte ich. Dann beugte ich mich vor und spähte noch einmal in das Loch. »Mit Dunkelheit und Enge hatte ich schon immer Probleme.«
    »Zurück können wir nicht mehr. Wir müssen hinein, oder?«
    »Logisch gesehen schon«, sagte ich. Mir war, als entfernte sich mein Körper von mir. Auf der Schule hatte ich hin und wieder dasselbe Gefühl gehabt, beim Basketballspielen. Wenn ich meine Bewegungen dem zu schnellen Zickzack des Balles anzupassen versuchte, kam der Geist nicht mit.
    Die Kleine behielt die ganze Zeit die Anzeige des Signalgerätes im Auge.
    »Gehen wir«, sagte sie schließlich. Die Batterien waren voll.
    Wie zuvor ging sie voran, ich folgte. Im Loch drehte sie sich um und betätigte einen seitlich angebrachten Hebel, um den Eingang wieder zu verschließen. Das Lichtquadrat wurde immer schmaler, bis es sich zu einem Schlitz verengte und schließlich ganz verschwand. Ich stand in dichter Dunkelheit, die mir vollkommener erschien als jede, die ich bis dahin erlebt hatte. Eine Dunkelheit, deren Herrschaft die Taschenlampe nicht zu brechen vermochte; sie bohrte nur ein winziges, ängstliches Loch hinein.
    »Eins verstehe ich nicht«, sagte ich. »Warum hat dein Großvater denn ausgerechnet einen Fluchtweg gewählt, der mitten durch das Nest der Schwärzlinge führt?«
    »Weil er der sicherste ist«, sagte die Kleine und leuchtete mich mit ihrer Lampe an. »Im Zentrum des Nestes haben die Schwärzlinge ihr Sanktuarium, da dürfen sie nicht hinein.«
    »Etwas Religiöses?«
    »Ich denke, ja. Großvater sagte es, ich selbst war noch nicht da. Als Glaube könne man es nicht bezeichnen, dazu sei es zu primitiv, aber es sei zweifellos eine Art Religion. Ihr Gott ist ein Fisch. Ein riesiger, augenloser Fisch.« Sie richtete ihre Lampe nach vorn. »Aber lass uns gehen. Wir haben nicht viel Zeit.«
    Die Decke der Höhle hing so niedrig, dass ich gebückt gehen musste. Die Felswände waren meist glatt und hatten nur wenige Spitzen und Kanten; trotzdem stieß ich mir gelegentlich an felsigen Vorsprüngen gewaltig den Kopf. Zeit, mich zu bedauern, hatte ich jedoch nicht. Ich richtete das Licht meiner Taschenlampe fest auf ihren Rücken und lief weiter, verzweifelt bemüht, sie ja nicht aus den Augen zu verlieren. Die Kleine bewegte sich trotz ihrer Leibesfülle behände und schnell und schien auch über eine beträchtliche Ausdauer zu verfügen. Ich selbst bin eher robust, doch das gebückte Laufen verursachte in meiner Wunde stechende Schmerzen. Ein Stechen, als triebe man mir Eiskeile in den Unterbauch. Mein Hemd war nass vor Schweiß und klebte mir kalt am Körper. Doch die Schmerzen waren allemal besser, als das Mädchen aus den Augen zu verlieren und allein in der Finsternis zurückgelassen zu werden.
    Mit jedem Schritt verstärkte sich das Gefühl, dass mein Körper nicht eigentlich zu mir gehörte. Das lag wahrscheinlich daran, dass ich mich nicht sehen konnte. Nicht die Hand vor Augen war zu sehen.
    Sich selbst nicht sehen zu können ist merkwürdig. Nach einer Weile beginnt man sich zu fragen, ob der Körper nicht bloß eine hypothetische Erscheinung ist. Ich empfand wohl Schmerz, wenn ich mir den Kopf an der Decke stieß, und auch die Bauchverletzung tat pausenlos weh. Und unter den Füßen spürte ich die Erde. Doch das waren bloße Schmerzen, das war mein bloßer Tastsinn. Es waren sozusagen nur aufgrund der Hypothese »Körper« entstandene Begriffe. Deshalb mochte es durchaus sein, dass der Körper schon abgestorben war und nur die Begriffe weiterfunktionierten. So wie ein beinamputierter Mann auch nach der Operation noch Jucken in den Zehen des abgeschnittenen Beines empfindet.
    Mehrmals war ich in Versuchung, die Taschenlampe auf mich selbst zu richten, um sicherzugehen, dass mein Körper noch existierte, verzichtete aber

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