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Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt

Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt

Titel: Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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Unendlichkeit wiederholen. Anders als ein Traum kann es nicht unterbrochen werden. Es hat einiges mit dem Enzyklopädiestab gemein.«
    »Enzyklopädiestab?«
    »Das ist ein Gedankenspiel, ein Wissenschaftler hat es erdacht. Theoretisch lässt sich eine ganze Enzyklopädie auf einem Zahnstocher eingravieren. Wie macht man das, was meinen Sie?«
    »Keine Ahnung.«
    »Es ist ganz einfach. Man transformiert die Daten, also den Text der Enzyklopädie, in Zahlen. Jeder Buchstabe erhält einen zweistelligen Zahlenwert. A ist 01, B 02, und so weiter. 00 bezeichnet Spatien, auch die Interpunktionszeichen werden transformiert. Man reiht die Zahlen aneinander und setzt vorne an die erste Stelle ein Dezimalkomma, erhält also einen extrem langen Dezimalbruch. Beispielsweise 0,1732000631… Den markiert man an der entsprechenden Stelle des Zahnstochers. 0,50000… befände sich genau in der Mitte, 0,3333… würde den ersten Punkt des zweiten Drittels markieren. Ist das so weit verständlich?«
    »Ja.«
    »Auf diese Weise lassen sich mit einem einzigen Punkt auf einem Zahnstocher beliebig lange Datenketten darstellen. Natürlich nur theoretisch, praktisch ist das unmöglich. Ein so feiner Punkt lässt sich mit den zur Verfügung stehenden Techniken nicht eingravieren. Doch das Bild mag Ihnen helfen, das Wesen des Denkens zu verstehen. Die Zeit ist die Länge des Zahnstochers. Die eingravierte Datenmenge hat damit nichts zu tun. Sie lässt sich beliebig vermehren. Fast bis ins Unendliche. Und bei periodischen Zahlen ist man im Unendlichen. Es hört nicht auf. Verstehen Sie? Das Problem ist ein Problem der Software. Die Hardware hat nicht das Geringste damit zu tun. Ob man nun einen Zahnstocher nimmt, einen 200-Meter-Baum oder den Äquator, das ist völlig gleichgültig. Ihr Körper mag sterben und Ihre Psyche vergehen, Ihr Denken wird den Augenblick unmittelbar davor auf ewig weiterteilen. Denken Sie an das alte Paradoxon vom fliegenden Pfeil: Ein Pfeil, der fliegt, steht. Der Tod des Körpers ist der fliegende Pfeil. Er fliegt in einer geraden Linie auf Ihr Gehirn zu. Ihm ausweichen kann niemand. Jeder Mensch stirbt irgendwann, der Körper verfällt. Die Zeit treibt den Pfeil voran. Aber wie ich eben sagte: Das Denken teilt die Zeit, teilt sie unaufhörlich. Deshalb konstituiert sich dieses Paradoxon. Der Pfeil trifft nie.«
    »Mit anderen Worten«, sagte ich, »Unsterblichkeit.«
    »Genau. Der ins Denken getauchte Mensch ist unsterblich. Streng genommen zwar nicht ganz, aber unendlich nahe daran. Es ist das ewige Leben.«
    »Das war das eigentliche Ziel Ihrer Forschungen, nicht wahr?«
    »Nein, keineswegs«, sagte der Professor. »Das ist mir erst später aufgefallen. Im Verlaufe von Forschungen, die aus einem anfangs nur winzigen ernsthaften Interesse erwuchsen. Und dabei entdeckte ich: Der Mensch erreicht die Unsterblichkeit nicht, indem er die Zeit aufbläht; er erreicht sie, indem er sie teilt.«
    »Und dann haben Sie mich in diese Welt der Unsterblichkeit gestoßen, ja?«
    »Nein, das war ein Unfall. Ich hatte das nie vor. Nie. Bitte glauben Sie mir: Sie in diese Lage zu bringen, hatte ich nie vor. Doch die Qual der Wahl haben Sie jetzt nicht mehr. Für Sie gibt es nur noch einen Weg, der Unsterblichkeit zu entrinnen.«
    »Welchen?«
    »Sie sterben sofort.« Der Professor sagte es sehr geschäftsmäßig. »Sie sterben, bevor Weiche A schaltet. Dann bleibt nichts.«
    In der Höhle herrschte Schweigen. Der Professor räusperte sich, das dicke Mädchen seufzte. Ich zog den Whiskey heraus und trank einen Schluck. Niemand sagte ein Wort.
    »Was«, fragte ich schließlich den Professor, »was ist das für eine Welt, diese Welt der Unsterblichkeit?«
    »Wie ich eben schon sagte«, sagte der Professor. »Eine friedliche Welt. Ihre Welt, eine Welt, die Sie selbst geschaffen haben. Dort können Sie Sie selbst sein. Dort gibt es alles, und zugleich gibt es nichts. Können Sie sich so eine Welt vorstellen?«
    »Nein.«
    »Und doch haben Sie sie unbewusst selbst geschaffen. Das kann nicht jeder. Widersprüchliche, unsinnige Welten, in denen man ewig im Chaos umherirrt, ja. Ihre Welt aber ist anders. Die Unsterblichkeit liegt Ihnen.«
    »Wann geht der Übergang vonstatten?«, fragte das dicke Mädchen.
    Der Professor sah auf seine Armbanduhr, ich auf meine. 6 Uhr 25. Die Nacht war vorbei. Die Zeitung war ausgetragen.
    »Nach meinen Berechnungen«, sagte der Professor, »in neunundzwanzig Stunden und fünfunddreißig Minuten. Mit einer

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