Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt
taucht auf, dahinter ein leerer Platz vor einem Gebäude. Das muss das Kraftwerk sein – was nicht heißen soll, dass irgendwelche besonderen Kennzeichen es als solches ausweisen würden. Nein, es steht da wie ein riesiger Speicher, nichts weiter. Man sieht keine speziellen Anlagen, nicht einmal Hochspannungsleitungen. Das seltsame Geräusch scheint direkt aus diesem einfachen Ziegelbau zu kommen. Das Eingangstor besteht aus zwei massiven Eisenflügeln, ganz oben in die Außenwand sind einige kleine Fenster eingelassen. Der Weg führt bis zum Platz und endet dort.
»Das muss das Kraftwerk sein«, sage ich.
Das Tor scheint verschlossen zu sein, jedenfalls bewegt es sich keinen Millimeter, auch nicht, als wir mit vereinten Kräften daran rütteln.
Wir entschließen uns zu einer Runde um das Gebäude. Es zieht sich weit nach hinten, die Seitenwand ist bedeutend länger als die Front und besitzt ganz oben ebenfalls eine Reihe kleiner Fenster, aus denen das seltsame Brausen dringt. Aber eine weitere Tür finden wir nicht, nur eine hohe, glatte Ziegelwand.
Die Ziegel sehen auf den ersten Blick aus wie die der Stadtmauer, bei näherem Hinsehen entpuppen sie sich jedoch als grob und von viel geringerer Qualität. Sie fühlen sich rau an, und hier und da ist ein Stück herausgebrochen.
An die Rückwand des Gebäudes grenzt ein gewöhnliches Wohnhäuschen aus den gleichen Ziegeln, ungefähr von der Größe der Wachhütte. Es hat eine ganz normale Tür, Fenster, die anstelle der Vorhänge mit Getreidesäcken verhängt sind, und auf dem Dach einen rußschwarzen Kamin. Hier riecht man wenigstens menschliches Leben! Ich klopfe dreimal an die hölzerne Haustür und wiederhole das noch zweimal – keine Antwort. Die Tür ist verschlossen.
»Da drüben ist noch ein Eingang zum Kraftwerk«, sagt die Bibliothekarin und nimmt meine Hand. Ich sehe in die Richtung, in die ihr Finger zeigt – tatsächlich, in einer Ecke der Rückwand des Kraftwerks gibt es noch eine kleine Eisentür, die offen steht.
Vor der Tür angekommen, wird das seltsame Geräusch ohrenbetäubend. Im Gebäude ist es viel dunkler als erwartet. Wir schirmen unsere Augen mit den Händen vor dem Licht draußen ab, um sie an die Dunkelheit zu gewöhnen, und äugen hinein, können aber absolut nichts entdecken. Es gibt kein Licht – ein Kraftwerk, in dem keine einzige Lampe brennt, ist schon ziemlich verwunderlich. Nur weit oben an der Decke sieht man schwaches Tageslicht, das durch die kleinen Oberlichter einfällt. Einzig das seltsame Brausen spielt sich auf, als ob das leere Gebäude ihm alleine gehöre.
Wir rufen. Da uns aber niemand zu hören scheint, stelle ich mich in die Tür, nehme die dunkle Brille ab und warte, bis meine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt haben. Die Bibliothekarin bleibt ein paar Schritte hinter mir stehen und scheint dem Gebäude möglichst nicht zu nahe kommen zu wollen. Das Brausen und die Dunkelheit machen ihr Angst.
Da Dunkelheit meinen Augen mittlerweile nicht mehr fremd ist, brauche ich nicht lange, um den Mann zu entdecken, der mitten im Raum steht. Ein magerer, kleiner Mann.Vor ihm erhebt sich eine dicke, runde Eisensäule von ungefähr drei bis vier Metern Durchmesser geradewegs bis zur Decke. Der Mann starrt darauf. Mit Ausnahme dieser Säule ist das Gebäude vollkommen leer – keine Anlagen, keine Maschinen, wie eine Reithalle. Der Boden ist mit denselben Ziegeln ausgelegt, aus denen die Wände bestehen. Das Ganze sieht aus wie ein riesiger, steinerner Backofen.
Ich lasse die Bibliothekarin am Eingang stehen und gehe alleine hinein. Als ich ungefähr die Hälfte des Weges von der Tür bis zur Säule zurückgelegt habe, scheint der Mann mich zu bemerken. Er dreht nur seinen Kopf in meine Richtung – der Rest des Körpers bleibt unbewegt – und starrt mich an. Es ist ein junger Mann. Vielleicht ein paar Jahre jünger als ich. Seine Erscheinung ist das genaue Gegenteil des Wächters. Arme und Beine, Nacken und Hals sind spindeldürr, seine Gesichtsfarbe bleich. Glatte Haut, nicht die Spur eines Bartes, der Haaransatz über der hohen Stirn hat sich weit nach hinten zurückgezogen. Er ist sauber und ordentlich gekleidet.
»Guten Tag«, sage ich.
Er starrt mich nur weiter mit fest zusammengekniffenen Lippen an und nickt mir dann knapp zu.
»Störe ich Sie?«, frage ich.Wegen des ohrenbetäubenden Lärms muss ich brüllen.
Der Mann schüttelt nur den Kopf, um auszudrücken, dass ich nicht störe, und deutet mit dem
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