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Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt

Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt

Titel: Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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meinem Fenster sind drei alte Männer dabei, ein großes Loch zu graben. Die Luft ist gespannt, das Stechen und Kratzen tanzt eigentümlich hin und her, was mich wohl in die Irre geführt hat. Hinzukommen mag noch, dass meine Nerven momentan nicht die allerstärksten sind, weil alles Mögliche auf einmal passiert.
    Die Uhr zeigt schon kurz vor zehn. Noch nie habe ich so lange geschlafen! Wieso hat der Oberst mich nicht geweckt? Bisher hat er doch immer Punkt neun mit dem Tablett in meiner Tür gestanden, um mich zu wecken und mit mir zusammen zu frühstücken. Die einzige Ausnahme hat er gemacht, als ich Fieber hatte.
    Ich warte bis halb elf, aber der Oberst taucht nicht auf. Schließlich hole ich mir in der Küche unten Brot und etwas zu trinken, kehre auf mein Zimmer zurück und frühstücke alleine. Aber es schmeckt mir nicht – wahrscheinlich habe ich mich mittlerweile daran gewöhnt, in Gesellschaft zu essen. Ich schaffe das Brot nur halb; den Rest hebe ich für die Tiere auf. Dann wickle ich mich in meinen Mantel, setze mich aufs Bett und warte, bis der Ofen das Zimmer einigermaßen aufgeheizt hat.
    Die unglaubliche Wärme des gestrigen Tages ist über Nacht verflogen, im Zimmer herrscht die übliche beißende Kälte wie jeden Morgen. Draußen weht zwar kein starker Wind, doch sonst sieht die Landschaft wieder ganz winterlich aus. Vom nördlichen Bergkamm bis zu der Wildnis im Süden hängen schneeschwere Wolken tief und drückend am Himmel.
    Auf dem Platz unter meinem Fenster sind die vier Alten immer noch dabei, das Loch zu graben.
    Vier?
    Als ich vorhin hinausgesehen habe, sind es ganz sicher nur drei gewesen. Drei alte Männer, die mit Spaten ein Loch gruben. Aber jetzt sind es vier.Vermutlich hat sich unterdessen einer hinzugesellt.Verwunderlich wäre es nicht. Im Beamtenviertel wimmelt es schließlich von alten Männern. Die vier stehen an den vier Ecken und heben schweigend die Grube zu ihren Füßen aus. Ab und zu fährt ihnen eine launische Bö unter die Jacken und schlägt sie hoch, doch die Kälte scheint den Alten nichts auszumachen – unermüdlich und mit geröteten Wangen stechen sie ihre Spaten wieder und wieder in die Erde. Einem ist offenbar sogar zu warm geworden, er hat seine Jacke ausgezogen. Wie eine abgestreifte Schlangenhaut hängt sie an einem Ast und flattert im Wind.
    Im Zimmer ist es jetzt warm genug. Ich setze mich auf den Stuhl vor dem Tisch, nehme die Ziehharmonika in die Hand, ziehe den Balg langsam auseinander und drücke ihn wieder zusammen. Jetzt, in meinem eigenen Zimmer, in aller Ruhe betrachtet, erkenne ich, dass sie bedeutend feiner gearbeitet ist, als es im Wald zunächst den Anschein gehabt hat. Tastatur und Balg sind zwar verschossen, doch der Lack auf dem Holzkörper ist noch nirgends abgesplittert, und auch die in grüner Farbe aufgemalten feinen Arabesken sind vollkommen unbeschädigt erhalten. Die Konzertina könnte ohne weiteres als Kunstwerk durchgehen. Wie erwartet, ist der Balg etwas steif geworden und bewegt sich nur mühsam, aber das beeinträchtigt das Spiel kaum. Ohne Zweifel hat das Instrument lange Zeit unberührt herumgelegen. Was für Menschen haben es wohl früher einmal gespielt? Auf welchem Weg mag es hierher gekommen sein? – Ich habe keine Ahnung. Das Ganze ist ein einziges Rätsel.
    Nicht nur der Ornamente wegen bin ich versucht, die Funktionstüchtigkeit dieser Ziehharmonika anzuzweifeln. Sie ist zu klein. Zusammengedrückt passt sie glatt in eine Manteltasche. Trotzdem, die musikalischen und instrumentalen Funktionen leiden darunter überhaupt nicht – die Ziehharmonika hat alles, was eine Ziehharmonika haben muss.
    Ich drücke und ziehe ein paar Mal, bis ich mich an die Eigenarten des Balgs gewöhnt habe. Dann probiere ich der Reihe nach die Knöpfe auf der rechten Seite aus und drücke dazu die Bassknöpfe der Begleitseite. Ich spiele die Töne einmal kurz durch und lausche dann auf die Geräusche von draußen.
    Ich höre die Alten immer noch das Loch graben. Das Stechen und Schieben ihrer vier Spaten dringt mit seinem absurden, unregelmäßigen Rhythmus seltsam deutlich zu mir ins Zimmer herauf. Ab und zu rüttelt der Wind am Fenster. Draußen sieht man den Hang, auf dem hier und da noch Schnee liegt. Ich weiß nicht, ob die Alten die Töne der Ziehharmonika hören können. Wahrscheinlich nicht. Sie sind leise, und der Wind weht genau aus entgegengesetzter Richtung.
    Es ist elend lange her, dass ich das letzte Mal eine Ziehharmonika

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