Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt
halben Ewigkeit zum Stillstand. Die Trommel dreht und dreht sich weiter, obwohl die Wäsche darin schon knochentrocken aussieht.
Ich wartete eine Viertelstunde, doch alle Trockner blieben in Bewegung.
Unterdessen kam eine schlanke, gepflegte junge Frau mit einer Papiertüte herein, schmiss einen Arm voll Windeln in eine der Waschmaschinen, riss ein Beutelchen Waschpulver auf, schüttete es dazu, machte die Maschine zu und warf Münzen ein.
Ich hätte gern die Augen geschlossen und ein Nickerchen gemacht, doch der Gedanke, dass unterdessen womöglich die Trommeln zum Stillstand kommen könnten und jemand anders vor mir seine Wäsche einlegen würde, hieß mich wachsam sein. Ich würde sonst nur wieder kostbare Zeit vergeuden.
Ich bereute, mir nichts zum Lesen mitgebracht zu haben. Dann bestünde keine Gefahr einzuschlafen, und die Zeit ginge auch schneller vorbei. Ob das allerdings das Richtige wäre, wusste ich nicht. In meiner Lage müsste ich wohl eher ein Interesse daran haben, dass die Zeit langsam verging. Aber ausgerechnet in diesem Waschsalon? Welchen Sinn sollte das haben? Wäre das nicht nur in die Länge gezogene Sinnlosigkeit?
Das Nachdenken über die Zeit bereitete mir Kopfschmerzen. Die Zeit ist zu sehr Begriff. Und wenn wir die Zeitlichkeit mit Substanz füllen, wissen wir bald nicht mehr, ob das, was herauskommt, was entsteht, zur Zeit gehört oder zur Substanz.
Ich hörte auf, über die Zeit nachzudenken, und widmete mich stattdessen der Frage, was ich tun wollte, wenn ich den Waschsalon hinter mir hatte. Zunächst musste ich etwas zum Anziehen kaufen. Etwas Anständiges. Zum Ändern von Hosen war keine Zeit mehr, den Tweed-Anzug, für den ich mich unter der Erde entschieden hatte, musste ich mir aus dem Kopf schlagen. Schade, aber nicht zu ändern. Ich würde mich mit den Leinenhosen begnügen, die ich trug, und nur ein Hemd, eine Krawatte und einen Blazer kaufen. Außerdem einen Trenchcoat. So ausgestattet, käme ich in jedes Restaurant. Der Kleiderkauf würde wahrscheinlich anderthalb Stunden in Anspruch nehmen. Dann wäre ich gegen drei Uhr fertig und hätte bis zur Verabredung um sechs noch drei Stunden.
Ich überlegte, was ich in den drei Stunden anstellen könnte, aber mir fiel nichts ein. Müdigkeit und Erschöpfung blockierten mein Denken, blockierten es in Regionen, an die ich nicht herankam.
Während ich mich bemühte, die Blockade zu brechen, kam der Trockner ganz rechts zum Stillstand. Erst vergewisserte ich mich, dass ich nicht halluzinierte, dann sah ich mich um. Die Hausfrau und die beiden Studentinnen schauten flüchtig hin, machten aber keine Anstalten, sich zu erheben. Den Waschsalongesetzen entsprechend machte also ich den Trockner auf, füllte die warme Wäsche in die am Türknauf hängende Einkaufstasche und leerte dann meine Lufthansa-Tasche in die Trommel. Dann schloss ich die Tür, warf Münzen ein, überzeugte mich, dass die Trommel zu rotieren begann, und kehrte zu meinem Stühlchen zurück. Die Uhr zeigte 12 Uhr 50.
Die Hausfrau und die Studentinnen hatten alle meine Bewegungen genauestens verfolgt. Nun schauten sie zu der Trommel, die ich beschickt hatte, dann zu mir. Ich sah zu meinem Trockner. Es gab ein fundamentales Problem: Die eingelegte Wäschemenge war bei weitem zu klein, es handelte sich ausschließlich um Damenkleidung und Damenunterwäsche, und alles war von einer Farbe – rosa. Sehr auffällig. Zu auffällig. Ein ungutes Gefühl. Ich hängte meine Plastiktasche an den Trocknerknauf und beschloss, die nächsten zwanzig Minuten anderswo zu verbringen.
Es nieselte immer noch, der gleiche feine Regen, der seit dem Morgen ununterbrochen niedergegangen war, als wollte er die Welt auf etwas hinweisen. Ich spannte meinen Schirm auf und spazierte durch das Viertel. Jenseits der ruhigen Wohnblocks verlief eine Straße mit allerlei Geschäften. Es gab einen Friseur, eine Bäckerei, einen Laden für Surferbedarf – wenn mir auch nicht klar war, was so ein Laden in Setagaya sollte –, ein Tabakwarengeschäft, eine Confiserie, einen Videoverleih, eine Wäscherei. An der Wäscherei hatte man ein Schild ausgehängt: An Regentagen auf alle Wäsche 10% Rabatt! Weshalb man bei Regen die Preise senkte, war mir nicht klar. Ich sah, wie drinnen der kahlköpfige Inhaber mit griesgrämigem Gesicht ein Oberhemd bügelte. Wie Lianen liefen von der Decke ein paar dicke Schläuche zu dem Bügeleisen. Eine gute alte Wäscherei, in der der Besitzer noch selbst das Eisen
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