Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt
mir ein Rätsel.
Der Inhaber legte seinen Schraubenzieher und einen halb auseinander genommenen Elektroquirl zur Seite und erklärte mir den Nagelknipser. »Schauen Sie, ja? Nummer eins. So – zwei. Und Nummer drei: ein Nagelknipser!«
»Alle Achtung!«, sagte ich. Das Ding hatte sich in der Tat in einen richtigen Nagelknipser verwandelt. Der Mann brachte ihn wieder in seine ursprüngliche Form und gab ihn mir zurück. Ich wiederholte, was er gemacht hatte – ein Nagelknipser.
»Ein gutes Stück«, sagte der Mann, als vertraue er mir ein Geheimnis an. »Henckels, Deutschland, hält ein ganzes Leben. Sehr praktisch auf Reisen. Rostet nicht, und die Schneide ist top. Damit können Sie sogar Ihrem Hund die Krallen stutzen!«
Ich zahlte 2800 Yen. Der Knipser kam in ein schwarzes Lederbeutelchen. Der Mann gab mir heraus und widmete sich dann wieder seinem Elektroquirl. Vor ihm standen saubere, weiße Tellerchen, darin nach Größe geordnet die vielen Schrauben des Elektroquirls. Die schwarzen Schrauben auf den weißen Tellern sahen alle glücklich aus.
Ich ging mit dem Nagelknipser zum Auto zurück und hörte mir, während ich auf die Bibliothekarin wartete, die Brandenburgischen Konzerte an. Dabei dachte ich darüber nach, warum die schwarzen Schrauben auf den Tellerchen so glücklich ausgesehen hatten. Vielleicht, weil sie aufgehört hatten, Teile eines Quirls zu sein, und wieder nichts als Schrauben sein durften. Oder weil die weißen Teller für die Schrauben ein rechter Ehrenplatz waren. Wie auch immer: Dinge glücklich zu sehen war schön anzuschauen.
Ich holte den Nagelknipser noch einmal aus der Tasche meines Blazers, ließ ihn aufschnappen, knipste mir probeweise ein Stückchen Nagel ab, brachte ihn wieder in die ursprüngliche Form und verstaute ihn in dem Lederbeutelchen. Er knipste nicht schlecht. Irgendwie ähneln Eisenwarenhandlungen Aquarien, die niemand besuchen möchte.
Kurz vor sechs Uhr, dem Ende der Öffnungszeit, strömten die Leute aus der Bibliothek. Die meisten waren Gymnasiasten, die wohl im Lesesaal gearbeitet hatten. Viele trugen eine Sporttasche aus Plastik, wie ich sie hatte. Bei genauem Hinsehen wirkten die Gymnasiasten alle irgendwie unnatürlich. Alles an ihnen war zu groß, und doch nicht vollständig. Aus ihrer Sicht allerdings war ich vermutlich noch unnatürlicher. So geht es zu auf der Welt. Das heißt dann generation gap.
Aber auch ein paar alte Männer waren dabei. Die verbrachten ihre Sonntagnachmittage im Zeitschriftenlesesaal, lasen Magazine und vier verschiedene Tageszeitungen. Wie die Elefanten häuften sie Wissen an und gingen dann nach Hause, wo das Abendessen wartete. Die Alten kamen mir nicht so unnatürlich vor wie die Gymnasiasten.
Als alle draußen waren, ertönte irgendwo eine Sirene. Sechs Uhr. Bei dem schrillen Ton wurde mir bewusst, dass ich Hunger hatte. Kein Wunder: Gestern hatte ich so gut wie nichts gegessen, und seit heute früh nur ein halbes Schinken-und-Ei-Sandwich, ein kleines Stück Käsekuchen und ein paar frische Austern. Der Hunger war wie ein großes Loch. Ein dunkles, tiefes Loch, in das man Steine, wie ich sie unter der Erde gesehen hatte, werfen könnte, ohne ein Geräusch zu vernehmen. Ich klappte die Rückenlehne herunter, starrte den niedrigen Himmel an und dachte an Essbares. Alle möglichen Speisen tauchten vor meinem Auge auf und verschwanden wieder. Auch ein mit Schrauben gefüllter weißer Teller war dabei. Mit weißer Sauce übergossen und mit Kresse verziert sahen sie köstlich aus.
Die junge Frau von der Auskunft kam um viertel nach sechs Uhr aus der Bibliothek.
»Ist das dein Wagen?«, fragte sie.
»Nein, den hab ich gemietet. Passt er nicht zu mir?«
»Nicht besonders. Solche Autos fahren doch sonst nur ganz junge Leute, oder?«
»Die Autovermietung hatte keinen anderen. Ich hab ihn nicht genommen, weil er mir besonders gefällt. Mir wäre jeder Wagen recht gewesen.«
»Ach so«, sagte sie, ging um das Auto herum, als ob sie es begutachten wolle, und stieg dann auf der Beifahrerseite ein. Drinnen untersuchte sie alles genau, zog den Aschenbecher heraus, schaute ins Handschuhfach.
»Die Brandenburgischen ?«, sagte sie.
»Magst du sie?«
»Ja, sehr sogar. Höre ich mir dauernd an. Am besten gefällt mir die Version von Karl Richter. Das hier scheint eine ziemlich neue Aufnahme zu sein. Wer ist das noch gleich?«
»Trevor Pinnock«, sagte ich.
»Dir gefällt Pinnock am besten?«
»Eigentlich nicht. Die Kassette fiel
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