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Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt

Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt

Titel: Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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mir ins Auge, da hab ich sie gekauft. Ist aber nicht schlecht.«
    »Hast du schon mal Pablo Casals’ Brandenburgische Konzerte gehört?«
    »Nein.«
    »Solltest du aber. Nicht gerade orthodox, aber dafür sehr eindringlich!«
    »Ich hör sie mir mal an«, sagte ich, obwohl ich nicht wusste, ob ich die Zeit dafür finden würde. Mir blieben nur noch achtzehn Stunden, und ein bisschen wenigstens würde ich schlafen müssen. So kurz der Rest meines Lebens war, die ganze Nacht konnte ich nicht aufbleiben.
    »Was wollen wir essen?«, fragte ich.
    »Wie wär’s mit italienisch?«
    »Prima.«
    »Ich kenne ein Restaurant in der Nähe. Die machen alles ganz frisch.«
    »Ich hab einen Riesenhunger«, sagte ich. »Ich könnte Schrauben essen.«
    »Ich auch«, sagte sie. »Schönes Hemd.«
    »Danke«, sagte ich.
    Das Restaurant lag zirka fünfzehn Autominuten von der Bibliothek entfernt. Wir schlängelten uns sachte durch eine Wohngegend, Fußgängern und Fahrrädern ausweichend, bis auf halber Höhe einer Steigung plötzlich ein italienisches Restaurant in Sicht kam. Ein zur Trattoria umfunktioniertes weißes Wohnhaus, ein Holzbau im westlichen Stil, mit kleinem Schild, leicht zu übersehen. Ringsum stille, hoch umzäunte Häuser mit hoch aufragenden Himalayazedern und Kiefern, deren Äste sich schwarz gegen den abendlichen Himmel abzeichneten.
    »Das liegt ja ganz schön versteckt«, sagte ich, während ich den Wagen auf dem Parkplatz abstellte.
    Das Restaurant war eher klein; es hatte drei Tische und vier Thekenplätze. Ein beschürzter Kellner führte uns zu dem hintersten Tisch. Vor dem Fenster waren die Zweige eines Pflaumenbaumes zu sehen.
    »Was wollen wir trinken? Wein?«, fragte das Mädchen.
    »Such du ihn aus«, sagte ich. Ich kannte mich besser mit Bier aus. Während sie mit dem Kellner in allen Einzelheiten die Weinfrage besprach, betrachtete ich den Pflaumenbaum vor dem Fenster. Ein italienisches Restaurant, und im Garten ein Pflaumenbaum, das kam mir merkwürdig vor. Auch wenn es vielleicht gar nicht so merkwürdig war. Schließlich gab es auch in Italien Pflaumenbäume. Und Biber in Frankreich. Sobald der Wein feststand, klappten wir die Speisekarte auf und entwarfen unsere Essstrategie. Die Wahl der Speisen dauerte ziemlich lange. Als Antipasti entschieden wir uns für Krabbensalat mit Erdbeersoße, frische Austern, Leberpastete à l’italienne, in der eigenen Tinte gedünsteten Tintenfisch, käseüberbackene Auberginen, marinierten Stint, dazu Tagliatelle für mich und Spaghetti Basilico für sie.
    »Du, wie wär’s, wenn ich noch die Maccaroni mit Fischsauce bestelle, isst du die Hälfte?«, sagte sie.
    »Gern«, sagte ich.
    »Welchen Fisch können Sie heute empfehlen?«, fragte sie den Kellner.
    »Wir haben frischen Barsch«, sagte der Kellner. »Gedünstet, mit Mandeln garniert, eine Köstlichkeit.«
    »Das nehme ich«, sagte sie.
    »Ich auch«, sagte ich. »Und Spinatsalat und das Pilzrisotto.«
    »Für mich das warme Gemüse und Risotto al pomodoro «, sagte sie.
    »Unsere Risotti sind recht reichlich«, sagte der Kellner leicht beunruhigt.
    »Keine Sorge. Ich habe seit gestern fast nichts gegessen, und sie hat eine Magenerweiterung«, sagte ich.
    »Praktisch ein schwarzes Loch«, sagte sie.
    »Sehr wohl«, sagte der Kellner.
    »Zum Nachtisch bitte Traubensorbet, Zitronensoufflet und einen Espresso«, sagte das Mädchen.
    »Für mich dasselbe«, sagte ich.
    Als der Kellner, der sich sorgsam unsere Bestellung auf seinem Block notiert hatte, gegangen war, lachte das Mädchen mich fröhlich an: »Du hast doch nicht so viel bestellt, weil du mit mir mithalten möchtest, oder?«
    »Nein, ich hab wirklich Hunger«, sagte ich. »Hunger wie schon lange nicht mehr.«
    »Wunderbar«, sagte sie. »Leuten, die wie die Spatzen essen, traue ich nämlich nicht. Mir kommt’s immer so vor, als hielten die sich dafür an was anderem schadlos, was meinst du?«
    »Ich weiß nicht«, sagte ich. Ich wusste es wirklich nicht.
    » Ich weiß nicht ist eine stehende Redewendung von dir, nicht wahr?«
    »Kann sein«, sagte ich.
    » Kann sein auch.«
    Ich hatte nichts mehr zu sagen und nickte deshalb nur.
    »Warum? Weil alles Denken unstet ist?«
    Ich weiß nicht, kann sein, murmelte ich im Geiste, als der Kellner nahte und ehrfürchtig wie der kaiserliche Hoforthopäde, der den Kronprinzen wegen einer Verrenkung zu behandeln hat, den Wein entkorkte und einschenkte.
    »Der Held in Der Fremde sagt immer: ›Ist nicht meine

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