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Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt

Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt

Titel: Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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Eisenwarenhandlung und wollte irgendwas kaufen, da hab ich den Knipser genommen. Der Satz Schnitzmesser war zu groß.«
    »Der Knipser ist schon recht, danke schön. Ich verleg sie immer, ich werd ihn in die Handtasche stecken, in die Innentasche.« Sie steckte ihn in das Beutelchen und dann in ihre Handtasche.
    Der Kellner räumte die Vorspeisenteller ab und brachte die paste. Mein Riesenhunger hielt unvermindert an. Die sechs Vorspeisen hatten in dem Loch des Nichts in mir so gut wie keine Spuren hinterlassen. In relativ kurzer Zeit verdrückte ich die Tagliatelle, eine reichliche Menge, und aß dann die Hälfte der Maccaroni in Fischsauce. Endlich schien in meiner Hungerdunkelheit ein Lichtlein aufzugehen.
    Nach den paste tranken wir, bis der Barsch kam, Wein.
    »Du, übrigens«, sagte sie, die Lippen am Rand ihres Glases, weshalb ihre Stimme seltsam dumpf klang. »Die Verwüstung deiner Wohnung: War da jemand mit einer Maschine am Werk? Oder waren das mehrere?«
    »Weder noch«, sagte ich. »Das war ein einzelner Mann.«
    »Na, der muss aber Kräfte gehabt haben!«
    »Er ist nicht mal müde geworden dabei.«
    »Ein Bekannter von dir?«
    »Nein, vorher nie gesehen.«
    »Die Wohnung hätte nicht so wüst ausgesehen, wenn man Rugby drin gespielt hätte!«
    »Ohne Frage«, sagte ich.
    »Hatte das mit der Einhorn-Geschichte zu tun?«, fragte sie.
    »Ich glaube schon.«
    »Ist das jetzt alles geklärt?«
    »Nein. Jedenfalls nicht für die.«
    »Aber für dich ist es geklärt?«
    »Ja und nein«, sagte ich. »Nein, weil ich nicht selbst gewählt habe, und ja, weil es gar keine Wahl gab. Bei dieser Sache gab man meinem Willen von Anfang an nicht die geringste Chance. Als hätte ich als einziger Mensch mit Robben Wasserball gespielt.«
    »Und deshalb gehst du morgen weit weg?«
    »Wie man’s nimmt.«
    »Das scheint eine komplizierte Sache zu sein, in die du da verwickelt bist.«
    »So kompliziert, dass ich nicht mal selbst weiß, was los ist. Die Welt wird immer komplizierter. Kernenergie, Zerschlagung des Sozialismus, Computerisierung, künstliche Befruchtung, Spionagesatelliten, Kunstherzen, Lobotomien. Selbst bei den Armaturenbrettern weiß man nicht mehr, was was ist. Wenn ich es in einfachen Worten sagen soll: Ich bin in einen Datenkrieg geraten. Und zwar als Lückenbüßer. Bis die Computer über eine Persönlichkeit, über ein Ich verfügen.«
    »Werden sie das irgendwann?«
    »Wahrscheinlich«, sagte ich. »Dann werden sie selbst ihre Daten verzerren und neu zusammenstellen, sodass niemand sie mehr stehlen kann.«
    Der Kellner brachte den Barsch und die risotti .
    »Ich verstehe das nicht«, sagte sie, während sie mit dem Fischmesser den Barsch zerteilte. »In der Bibliothek geht alles sehr friedlich zu. Es gibt Bücher, und die Leute kommen, um sie zu lesen. Die Daten stehen allen zur Verfügung, niemand streitet sich darum.«
    »Ich wäre besser auch Bibliothekar geworden«, sagte ich. Es wäre wirklich besser gewesen.
    Wir verspeisten jeder unseren Fisch und ließen von den Risotti kein Reiskörnchen übrig. Endlich war mein Hungerloch nicht mehr bodenlos.
    »Ach, war der Barsch gut!«, sagte sie zufrieden.
    »Der Kniff ist die Buttersauce«, sagte ich. »Fein gehackte Schalotten vorsichtig in guter Butter dünsten. Wenn man beim Dünsten nicht aufpasst, kommt der Geschmack nicht raus.«
    »Du kochst gerne, nicht wahr?«
    »Die wirklich gute Küche hat sich seit dem 19. Jahrhundert kaum verändert. Frische Zutaten, Sorgfalt bei der Zubereitung, Geschmacksempfinden, ästhetische Anordnung, das ändert sich nie.«
    »Das Zitronensoufflet schmeckt auch himmlisch«, sagte sie. »Kannst du noch?«
    »Klar«, sagte ich. Von den Soufflets jedenfalls hätte ich noch fünf essen können.
    Ich aß mein Traubensorbet, mein Soufflet und trank meinen Espresso. Das Soufflet war wirklich phantastisch. So guter und so viel Nachtisch muss sein. Auch das Aroma des Espresso war stimmig und rund.
    Nachdem wir alles den riesigen Löchern in uns anvertraut hatten, kam der Küchenchef zur Begrüßung an unseren Tisch. Wir sagten ihm, wir seien äußerst zufrieden.
    »Wenn so gespeist wird, macht das Kochen besondere Freude«, sagte er. »Es gibt nicht viele Menschen, die so viel essen können, selbst in Italien nicht.«
    »Vielen Dank«, sagte ich.
    Als der Chef wieder in der Küche war, rief ich den Kellner und bestellte noch zwei Espresso.
    »Du bist der Erste, der beim Essen mit mir mitgehalten hat, ohne aus den Nähten zu

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