Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt
Schreibtisch lag wie ein eingeschlafenes Zwergkaninchen ihr angefangenes Taschenbuch, den Rücken gekrümmt. Es war der zweite Band der japanischen Übersetzung von H. G. Wells’ Biographie Der Zeitreisende. Das Buch gehörte nicht zum Bibliotheksbestand, offensichtlich war es ihr Privatexemplar. Daneben lagen drei sauber gespitzte Bleistifte. Und sieben oder acht Büroklammern. Warum überall immer Büroklammern herumliegen mussten, war mir ein Rätsel.
Vielleicht hatten sie aus irgendeinem Grund plötzlich zu wuchern begonnen. Oder es war bloß ein Zufall, dem ich mehr Aufmerksamkeit schenkte, als ihm zukam. Nein, das war nicht normal, etwas stimmte da nicht. Wie von langer Hand geplant lagen überall, wo ich hinging, an auffälliger Stelle Büroklammern herum. Irgendwo in meinem Kopf klickte es. In der letzten Zeit klickte es ein bisschen viel. Bei dem Schädel, bei den Büroklammern. Ich hatte das Gefühl, dass da irgendein Zusammenhang bestand, aber was ein Tierschädel mit Büroklammern zu tun haben sollte, konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.
Bald darauf kam die langhaarige junge Frau mit drei Büchern im Arm zurück. Sie gab sie mir, nahm dafür das Eis, setzte sich in ihre Box und aß es, vornüber gebeugt, sodass man es von außen nicht sah. Ich schaute von oben hinein; ihr ungeschützter Nacken war schön.
»Vielen Dank«, sagte sie.
»Ich danke auch«, sagte ich. »Sag mal, wozu brauchst du eigentlich die Büroklammern?«
» Die Büroklammern «, sang sie. »Die Büroklammern brauche ich, um Papiere zusammenzuklammern. Du weißt doch, was Büroklammern sind, oder? Überall gibt es welche, jeder benutzt sie.«
Sie hatte zweifellos recht. Ich bedankte mich, nahm meine Bücher und ging. Büroklammern gab es überall. Für tausend Yen konnte man einen ganzen Lebensvorrat Büroklammern kaufen. Ich ging zum Schreibwarenladen und kaufte für tausend Yen Büroklammern. Dann fuhr ich nach Hause.
Zu Hause räumte ich die Lebensmittel in den Kühlschrank. Das Fleisch und den Fisch wickelte ich in Folie, die Tiefkühlkost legte ich ins Gefrierfach. Das Brot und die Kaffeebohnen fror ich auch ein. Das Tōfu legte ich in eine Schüssel mit Wasser. Das Bier stellte ich in den Kühlschrank, das alte Gemüse räumte ich nach vorn. Das Sakko hängte ich in den Schrank, das Spülmittel stellte ich auf das Küchenregal. Danach verstreute ich auf dem Fernseher neben dem Schädel ein paar Büroklammern.
Eine merkwürdige Zusammenstellung.
So merkwürdig wie ein Daunenkissen mit Eiswürfeln oder ein Fläschchen Tinte mit Kopfsalat. Ich ging auf den Balkon, um es mir von weitem anzusehen, aber der Eindruck blieb der gleiche. Der Schädel und die Klammern hatten nichts gemein. Und doch musste es irgendwo eine geheime Verbindung geben, die mir unbekannt war – beziehungsweise an die ich mich nicht erinnern konnte.
Ich setzte mich aufs Bett und starrte lange die Dinge auf dem Fernseher an. Aber ich konnte mich auf nichts besinnen. Es verging nur Zeit. Ein Rettungswagen und ein Parolen brüllender Kampfwagen der Nationalisten fuhren in der Nähe vorbei. Ich hatte Lust auf einen Whiskey, hielt mich aber zurück. Eine Weile musste ich mit klarem Kopf denken können. Etwas später kamen die Nationalisten denselben Weg zurück. Wahrscheinlich hatten sie sich verfahren. Die Straßen in der Nachbarschaft waren ziemlich labyrinthisch.
Schließlich ließ ich es sein, stand auf, setzte mich an den Küchentisch und blätterte die Bücher durch, die ich in der Bibliothek entliehen hatte. Zuerst suchte ich alle mittelgroßen pflanzenfressenden Säugetiere heraus, dann sah ich mir die einzelnen Skelette an. Es gab wesentlich mehr mittelgroße pflanzenfressende Säugetiere, als ich gedacht hatte. Allein an Hirschen waren über dreißig Arten verzeichnet.
Ich holte den Schädel vom Fernseher, stellte ihn auf den Küchentisch und verglich ihn mit jeder einzelnen Abbildung. In einer Stunde und zwanzig Minuten verglich ich ihn mit den Abbildungen von 93 verschiedenen Tierschädeln; keine passte zu dem Schädel auf meinem Küchentisch. Nun wusste auch ich nicht weiter. Ich klappte die drei Bücher zu, stapelte sie am Tischrand, streckte die Arme und reckte mich. Da war nichts zu machen.
Ich gab auf, legte mich aufs Bett und schaute mir ein Video an, John Fords The Quiet Man – Der Sieger, als es klingelte. Ich linste durchs Fischauge. Vor der Tür stand ein Mann mittleren Alters in einer Uniform der Tokyoter
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