Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt
Lauch und Miso hinzu und servierte die Suppe mit Reis und Salzpflaumen. Sie vertilgte alles in null Komma nichts. Endlich, auf dem Tisch lagen nur noch ein paar Pflaumenkerne, stieß sie einen zufriedenen Seufzer aus: »Danke. Das hat geschmeckt!«
Noch nie hatte ich eine Frau, die so schlank und schön war wie sie, dermaßen spachteln sehen. Das war schon eine Leistung. Halb aus Anerkennung und halb aus Sprachlosigkeit schaute ich sie noch eine ganze Weile, nachdem sie mit dem Essen fertig war, einfach nur an.
»Sag mal, isst du immer so viel?«, fragte ich rundheraus.
»Klar. Ungefähr diese Menge«, sagte sie, ohne eine Miene zu verziehen.
»Und du wirst nicht dick?«
»Ich hab eine Magenerweiterung«, sagte sie. »Da kann man essen, soviel man will, ohne zuzunehmen.«
»Das geht aber ins Geld, oder?«, fragte ich. Immerhin hatte sie alleine das Abendessen und dazu mein Mittagessen des nächsten Tages verspeist.
»Und wie!«, sagte sie. »Fast mein ganzes Gehalt geht für Lebensmittel drauf.«
Ich bot ihr noch einmal etwas Alkoholisches an. Sie sagte, sie hätte gerne ein Bier. Ich holte Bier aus dem Kühlschrank und briet in der Pfanne versuchsweise noch zwei Hand voll Würstchen. Das schafft sie nicht mehr, dachte ich, aber ich bekam nur zwei – den Rest aß sie. Ihr grausiger Appetit fegte die Lebensmittel weg wie ein schweres Maschinengewehr einen alten Schuppen. Vor meinen Augen schwanden die Vorräte einer ganzen Woche dahin. Mit den Würstchen hatte ich eine saftige Sauerkrautplatte zubereiten wollen.
Dann setzte ich ihr fertig gekauften Kartoffelsalat vor, den ich mit Blattalgen und Thunfisch anreicherte; sie verspeiste ihn zum zweiten Bier.
»Jetzt geht’s mir gut!«, sagte sie. Ich hatte nur Whiskey getrunken und so gut wie nichts gegessen. Ihr fasziniert beim Essen zusehend, hatte sich bei mir kein rechter Appetit einstellen wollen.
»Zum Nachtisch hätte ich noch Schokoladentorte«, sagte ich. Die aß sie selbstverständlich auch noch. Ich koche gern, esse aber eher wie ein Spatz. Vom bloßen Zusehen kam es mir fast hoch.
Wahrscheinlich war das der Grund, dass ich keine richtige Erektion bekam. Dass ich, wenn es darauf ankam, keinen hochkriegte, war mir seit 1964 nicht mehr passiert, dem Jahr der Olympischen Spiele in Tokyo.
»Mach dir nichts draus, das ist wirklich nicht so schlimm«, tröstete sie mich. Nach dem Dessert hatten wir Whiskey und Bier getrunken, ein paar Schallplatten gehört und waren dann ins Bett gestiegen. Ich hatte schon mit einer Menge Frauen geschlafen, aber noch nie mit einer Bibliothekarin. Vermutlich ging sie mit mir ins Bett, weil ich sie beköstigt hatte. Allerdings bekam ich ihn, wie gesagt, einfach nicht hoch. Beim Gedanken an die Lebensmittel, die sie verschlungen hatte und die nun in ihrem Magen der Verdauung ausgesetzt waren, blieb unten alles schlapp.
Sie kuschelte ihren nackten Körper an mich und fuhr mit dem Mittelfinger immer wieder etwa zehn Zentimeter mein Brustbein auf und ab. »Das kommt bei jedem mal vor, mach dir keine Gedanken deswegen.«
Je mehr sie mich jedoch tröstete, desto heftiger setzte sich in meinem Bewusstsein die Tatsache fest, dass mein Penis nicht erigierte. Irgendwo habe ich einmal gelesen, dass der Penis im nicht erigierten Zustand ästhetischer sei als in der Erektion, aber das tröstete mich nur wenig.
»Wann hast du das letzte Mal mit einer Frau geschlafen?«
Ich kramte eine Weile in der Schachtel meiner Erinnerungen. »Warte mal, ja, vor zwei Wochen«, sagte ich.
»Hat es da geklappt?«
»Klar«, sagte ich. Neuerdings schien sich jedermann für mein Sexleben zu interessieren. Vielleicht war das gerade in Mode.
»Was war das für eine?«
»Ein Callgirl. Ein Mädchen, das man telefonisch bestellt.«
»Hast du, wenn du mit so einer schläfst … hattest du dabei das Gefühl, etwas Lasterhaftes zu tun?«
»Nicht, dass ich wüsste«, sagte ich.
»Hast du in der Zwischenzeit onaniert?«
»Nein«, sagte ich. In den letzten vierzehn Tagen war ich viel zu beschäftigt gewesen, bis heute hatte ich nicht einmal Zeit gehabt, mein kostbares Sakko aus der Reinigung zu holen. Wann hätte ich da onanieren sollen?
Sie hörte sich das an und nickte voller Überzeugung: »Das wird es sein.«
»Dass ich nicht onaniert habe?«
»Unsinn, Dummkopf«, sagte sie. »Die Arbeit natürlich! Du hattest wahnsinnig viel zu tun, nicht wahr?«
»Ja, vorgestern habe ich sechsundzwanzig Stunden nicht geschlafen.«
»Was machst du
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