Hard Man
versuchte es, doch es wollte nicht zubleiben. Irgendwas war im Auge, und er wollte es dringend loswerden. Blinzelte noch ein paarmal. Und irgendwie versuchte er weiterhin, damit zu sehen. Wollte glauben, dass es nicht so schlimm war, wie es sich anfühlte.
Er zwang es, sich zu schließen, und es blieb zu, irgendwie, das Lid flatterte zwar, aber wenigstens konnte er mit dem anderen noch sehen.
Das Schloss war kaputt. Holz und Metall waren gesplittert. Und das war das Problem. Er musste etwas ins Auge bekommen haben.
Er ließ die Waffe fallen. Sie war jetzt nutzlos. Keine Kugel mehr.
Er stieß die Tür auf, trat in den Flur. Er vermied es, in den Spiegel zu blicken. Wollte gar nicht sehen, wie schwer seine Verletzung war. Jetzt noch nicht. Musste erst einen Anruf machen.
Auf das eine Auge konzentriert und mit zitternden Händen schlug er das Adressbuch auf und blinzelte, um Flashs Nummer zu lesen. Er wählte. Nimm ab, Flash, um Himmels willen. Dann fiel ihm ein, dass Flash im Krankenhaus war. Wahrscheinlich hatte er sein Handy ausgeschaltet.
Es klingelte drei Mal, und dann sagte Flash: »Was ist?«
Gott segne den Jungen. »Mein Auge«, sagte Jacob, bevor ihm einfiel, dass das jetzt nicht das Wichtigste war. »Wallace hat May geschnappt«, sagte er.
Flash fluchte. »Wo sind sie?«
»Ich weiß nicht. Sie sind weg. Er hat auf Norrie geschossen.«
»Allmächtiger. Geht es ihm gut?«
»Ich glaub, er ist tot. Oder fast.«
»Scheiße. Tut mir leid, Dad.«
»Mir nicht.«
»Was?«
»Norrie hat auf Rog geschossen. Es war nicht Wallace. Norrie hat gedacht, er würde … Hör zu, ich erzähl’s dir später. Du musst dich um May kümmern. Fahr zu Wallace.«
»Herrje. Wie geht’s dir, Dad?«
»Besser denn je, Junge.« Jacob legte auf. Eine riesige Hand quetschte sein Herz zusammen, und er kippte um.
Der Brustkorb von Schnuckelchen bewegte sich kaum. May beugte den Kopf, um auf seinen Atem zu horchen. Seine Zunge flitzte heraus und berührte sie am Kinn. Sie richtete sich auf, entschlossen, nicht zu weinen. Sie war total durch den Wind. Großer Gott, fühlte sie sich beschissen heute. Hätte gar kein schlechterer Zeitpunkt sein können für diese ganze Kacke. Wie viele Jahre würde sie diese beschissenen Bauchschmerzen noch aushalten müssen. Sie konnte gar nicht erwarten, dass die Wechseljahre kamen. Nachdem sie drei Kinder haben würde. Zwei Jungs und ein Mädchen. Das wäre cool. Joanne meinte immer, May solle die Pille nehmen. Wäre sicherer. Aber auch, um ihre Periode regelmäßiger und weniger stark zu machen, denn wenn sie kam, dann kam sie gewaltig. May war sich allerdings nicht sicher, ob sie Joannes Rat trauen konnte. Joanne hatte schon zwei Kinder, und dabei war sie drei Monate jünger als May. Und überhaupt, Kinder waren ein heikles Thema. Genau wie diese fette Kuh, Joanne.
Wallace warf May noch so einen Blick über den Rückspiegel zu. Als sei sie bescheuert oder so. Er wusste, wie er es anstellen musste, damit sie sich klein vorkam. Blöder Wichser!
»Du weißt jetzt also, wo wir hinmüssen?«, fragte sie. Das Muttchen hatte ihnen den Weg beschrieben. Bis zum nächsten Tierarzt war es offenbar ein ganzes Stück. Wallace schien jedoch zu wissen, wo sie meinte. May hatte keinen blassen Schimmer.
Wallace sprach kein Wort.
May schaute weg. Wollte sich sowieso nicht mit ihm unterhalten, mit dem mordenden Schwachkopf. Zugegeben, Norrie war nicht tot gewesen, als sie gegangen war, aber die Chance war groß, dass es nicht mehr lange dauern würde. Manchmal war Wallace alles scheißegal. Er war ‘n richtiger Psycho. Egal, sie würde nicht mit ihm reden. Man kam nicht zu Leuten ins Haus und schoss wild um sich. Das gehörte sich nicht. Und er hatte sie gekidnappt, was sich auch nicht gehörte. Gut, vielleicht hatte er weder auf Rog geschossen noch das mit Louis gemacht, aber daran, dass sie diese wilde Bestie in sich reingelassen hatte, mochte sie gar nicht denken. Mann, sie kam sich total verdorben vor, und zwar nicht auf gute Weise.
Sie sprach wieder mit dem Hund. Damit er ruhig blieb. Bescheuert, klar wusste sie das, ihm zu erzählen, er solle keine Angst haben, aber was sollte man sonst sagen? Weniger bescheuert, als mit Pflanzen zu reden, hm? Und das hatte sie auch schon gemacht. Hatte eine Grünlilie gehabt, die über zwei Jahre hinweg ganz langsam eingegangen war. Hätte wahrscheinlich keine sechs Monate durchgehalten, wenn sie nicht mit ihr geredet hätte. Wie dem auch sei, sie redete eine
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