Hard News
kamen hier herauf, weil alle solche furchtbaren Seuchen und Epidemien hatten – und dann haben sie die ganzen Felder und das Land gesehen und den Ort Green Village getauft …«
»Und jetzt heißt er Greenwich Village«, unterbrach Claire, »und es gibt Bagels und Cafés und ATM-Maschinen und die Antique Clothes Boutique.«
Rune schüttelte den Kopf. »Ach, du bist total Sitcom, richtig ekelhaft.«
»Also – Boston … Macht’s dir was aus, wenn ich eine Weile dort bleibe?«
Etwas ausmachen? Rune fühlte sich, als hätte man ihr gerade ein Päckchen in einer türkisfarbenen Schachtel von Tiffany’s geschenkt. »Ich würde sagen: Tu’s.«
»Dann mach ich’s«, sagte Claire lethargisch. Sie gähnte und holte ein Fläschchen aus ihrer Handtasche. »Willst du ’n bisschen Koks?«
»Koks«, sagte Courtney.
Rune packte Claire grob am Arm. »Spinnst du?«, zischte sie böse. »Sieh doch, was du ihr beibringst.« Sie nahm Claire das Fläschchen und den Löffel weg und feuerte sie wieder in die Handtasche.
Claire riss sich wütend von ihr los. »Koks ist was Reales. Drachen und Göttinnen nicht.«
»Behalt deine Realität für dich.« Rune stand auf, nahm Courtney an der Hand und führte sie aufs Außendeck. »Komm, mein Schatz, ich les dir ’ne Geschichte vor.«
»Bitte noch eine«, bettelte Courtney eine Stunde später.
Rune feilschte mit ihr und blätterte in dem Märchenbuch. Sie warf einen Blick in die Kombüse hinunter und sah, dass Claire sich eine kleine Line Koks auf ihrem Taschenspiegel zog.
»Okay«, sagte Rune. »Noch eine, dann ab ins Bett.«
Sie sah, bei welchem Märchen das Buch aufgegangen war, und lachte. ›Die Schneeprinzessin‹. Eine gute Wahl, wie sie fand, denn in Claires Nase tobte gerade ein Blizzard.
»Es war einmal …«
»In einem fernen Land«, gähnte Courtney und legte den Kopf in Runes Schoß.
»Richtig. ›… in einem fernen Land, da lebte ein altes Ehepaar, das nie Kinder bekommen hatte.‹«
»Ich bin ein Kinder.«
»›Der Mann und die Frau liebten einander von Herzen, aber sie träumten davon, wie glücklich sie wären, wenn sie eine Tochter hätten, um ihr Leben mit ihr zu teilen. Dann, eines Winters, als der Mann durch den Wald nach Hause ging, sah er einen Schneemann, den Kinder gebaut hatten, und ihm kam ein Einfall. Er ging nach Hause und baute zusammen mit seiner Frau eine kleine Schneeprinzessin.‹«
»Was ist Schnee?«
»Im letzten Winter, das weiße Zeug.«
»Ich weiß nicht mehr«, sagte das Mädchen mit gerunzelter Stirn.
»Es fällt vom Himmel und ist weiß.«
»Federn.«
»Nein, es ist irgendwie nass.«
»Milch.«
»Egal. Jedenfalls ging das Ehepaar zu Bett, und beide wünschten die ganze Nacht lang ganz fest, und was meinst du, was passiert ist?«
»Sie haben ein kleines Mädchen gekriegt?«
Rune nickte. »›Als sie am nächsten Morgen aufwachten, war da die schönste kleine Prinzessin, und sie sah genauso aus wie das Mädchen, das die beiden am Abend zuvor aus Schnee gemacht hatten. Sie herzten und küssten sie, und sie verbrachten ihre ganze Zeit damit, mit ihr zu spielen und mit dem kleinen Mädchen im Wald spazieren zu gehen. So glücklich war das Ehepaar …
Dann kam eines Tages ein schöner Prinz durch den Schnee geritten und sah die Schneeprinzessin, die auf einem schneebedeckten Feld neben dem Haus der alten Leute spielte. Sie sahen einander und waren verliebt.‹«
»Was ist …«, setzte Courtney an.
»Das ist egal. Die Sache ist die, dass er wollte, dass die Schneeprinzessin bei ihm im Schloss am Fuß des Berges wohnte. Die Eltern der Schneeprinzessin waren sehr traurig und flehten sie an, nicht wegzugehen, aber sie heiratete den Prinzen und ging mit ihm, um im Schloss zu wohnen.
›Den ganzen Winter über lebten sie sehr glücklich, und dann kam eines Tages im Frühjahr stark und heiß die Sonne hervor, als die Prinzessin mit dem Prinzen spazieren ging …‹«
Rune machte eine Pause und las weiter – bis zu der Stelle, wo die Sonne immer heißer wird und die Prinzessin schmilzt und das Wasser durch die Hände ihres Gemahls zu Boden fließt, bis nichts mehr von ihr übrig ist. Sie blickte in das gespannte Gesicht des Mädchens und dachte: Da haben wir ein Problem.
»Weiter«, sagte Courtney.
»Also«, sagte Rune, indem sie tat, als läse sie weiter, »die Sonne war so heiß, dass die Schneeprinzessin sich daran erinnerte, wie sehr sie ihre Eltern vermisste, und sie küsste ihren Prinzen zum Abschied und kehrte
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