Hard Rock Vampir
schnell, dass ich nicht mal Zeit zum Schnaufen hatte und unser Gastgeber lächelte larmoyant.
Eva küsste mich auf die Wange.
Roggs nickte.
Ich drehte mich um. Wohin wollte ich?
»Folge mir«, sagte Christopher, führte mich in einen einfach eingerichteten Schlafraum, schloss die Tür und ich war alleine.
Endlich alleine.
Und zum zweiten Mal in meinem Leben erfuhr ich, was Weinen bedeutete.
15
Ich meinem Zimmer war es dunkel und still. Man ließ mich in Ruhe. Sie wollten, dass ich nachdachte.
In meinem Kopf überschlugen sich die Gedanken. Man verlangte von mir, bei der Ermordung des amerikanischen Präsidenten zu helfen, denn man forderte von mir Loyalität. Eine Loyalität, für die ich tiefstes Verständnis hatte.
Andererseits war der Plan unklar, unreif und setzte auf pure Gewalt. Vermutlich würde er gelingen, doch der Kollateralschaden war kolossal. Wir erwiesen uns einen Bärendienst und würden unsere Rache nicht kalt, sondern kochend heiß genießen und uns dabei reihenweise das Maul verbrennen.
Die ganze Welt würde wissen, was Major Lockheed und seine Leute, was die Regierung und deren Handlanger, was sie alle angestellt hatten. Das Verbrechen wäre aufgedeckt und vielleicht, aber nur vielleicht, hätte das für einige der Drahtzieher Konsequenzen.
Was bleiben würde, waren wir.
Drei Vampire und ein Werwolf.
Vielleicht jedoch würde man alles das wieder den Moslems in die Schuhe schieben, eine Terrorgruppe aus dem Ärmel zaubern und über Nacht im Iran einmarschieren, wo vielleicht schon eine kleine Atombombe darauf wartete, auf die Köpfe der Vereinten Nationen geworfen zu werden.
Wer möglicherweise eine Mondlandung faken konnte, wer zwei Boeings in Hochhäuser fernsteuerte, wer um Haaresbreite über Kuba einen dritten Weltkrieg auslöste, wer mit Saddam Hussein Geschäfte machte, um ihn dann in irgendeinem versteckten Keller hinrichten zu lassen, und wer einen Kriegsverlierer wie Deutschland innerhalb weniger Jahre zu einem der mächtigsten Länder der Welt lancierte, dem war auch zuzutrauen, unseren ach so genialen Anschlag für eigene Ziele zu missbrauchen.
Christophers Plan war spektakulär, aber naiv.
Dennoch war ich einer von ihnen.
Ein Bruder.
Ein Leidensgenosse.
Und hielte man in der Familie nicht zusammen? Ging man nicht durch dick und dünn? Wäre es für einen Vampir nicht so absurd, würde ich das Beispiel vom dickeren Blut und dem Wasser bringen.
Fuck!
Vor meinen Augen drehte sich alles.
Da verlor man den Humor. Ich hatte Lust, einen Song zu schreiben. Er würde aus Moll-Akkorden bestehen.
Es war Viertel vor vier, als es an meiner Tür klopfte.
Eva trat ein.
Ich setzte mich auf die Bettkante und starrte sie an. Lovely Eva, lovely you …
»Dir geht es schlecht, nicht wahr?«, fragte sie mitfühlend und setzte sich neben mich, als sei es das selbstverständlichste der Welt. Ich erinnerte mich an Christopher und daran, wie er wirklich aussah, unter seiner attraktiven Maske. Sah man auch mich so? Wirkte auch ich so auf die Menschen, die ich tötete?
Liebe Güte, mein Leben, meine Existenz, wie man es auch bezeichnen mochte, war gut gewesen. Ich hatte mein Dasein genossen und hätte es auch die nächsten fünfhundert Jahre getan. Dass ich hin und wieder töten musste, gehörte dazu, dennoch hatte ich stets versucht, nur jene zu trinken, die niemand vermisste oder die es auf eine gewisse Art verdient hatten. Verbrecher, Diebe, Menschen, zumeist Männer, die dem Arm des Gesetzes entkommen waren, aber meinen Zähnen nicht.
Welcher Mensch denkt schon daran, was in einem Schlachthof passiert, wenn er das Steak aus der Kühltruhe kauft? Ich hingegen war der Schlachthof, denn für mich gab es keine Kühltruhe. Ich war wie ein Tier, das schlagen muss, um zu überleben.
Nein, das machte mir kein schlechtes Gewissen.
Doch das, was hier ablief, bohrte in mir. Das hat nichts mit meiner politischen Einstellung zu tun. Ich bin weder Patriot, noch sonst was Politisches, aber ich hasse Dinge, die nicht passen, Puzzleteile, die nicht sauber ineinander rasten.
Hätte ich es mit der Musik verglichen, hatte Christopher ein Stück komponiert, in dem alle analytischen und satztechnischen Gesichtspunkte der Harmonielehre missachtet wurden. Und das ist existenziell. Auch Zappa hielt sich daran. Sogar Karlheinz Stockhausen – wenn auch die wenigsten es begriffen. Man stelle sich Cohens Halleluja mit einem Misston vor. Es wäre Musik aus der Hölle. So, wie dies ein Plan der Hölle war.
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