Hard Rock Vampir
Vorschlag des Teufels eingegangen war. Er hatte schon gewonnen, aber vielleicht wollte er eine Eskalation vermeiden. Wollte den gefallenen Engel fair besiegen.
Und sie setzten ihre Figuren.
Schweigen.
Ein Bauer nach vorne.
Und ein Bauer ihm entgegen.
Springer in Aktion. Gegenzug.
Ich starrte auf die Eröffnung. Dann ein wilder Zug von Benedikt und Satan verlor seinen Springer. Ein Anfängerfehler, der Teufel hatte einen Anfängerfehler gemacht. Liebe Güte, so spielte man nicht, wenn man gewinnen wollte.
Cypher rieb sich die Augen. Sein Körper war in wabernde Hitze getaucht, die jedoch nicht weiter als zwei Handbreit abstrahlte.
Springer, Turm, Läufer, eine wilde Schlacht.
Dann ein Desperado-Manöver des Papstes. Er stellte seinen Springer an den Rand, eine berüchtigte Finte und schwächte seine eigene Bauernstruktur. Er spielte vorwärts gerichtete Verteidigungszüge und riskierte alles. Seine Dame befand sich in einer gefahrvollen Situation. Was hatte er vor? Verlor er seine Dame, verlor er das Spiel. Das musste nicht so sein, war aber wahrscheinlich, da ein Tausch in der derzeitigen Konstellation unwahrscheinlich schien.
Cypher überlegte. Sein hageres Gesicht war in Konzentration versunken. Es geschah eine lange Zeit nichts und ich meinte, den Atem der Zuschauer zu hören, ihre Nervosität zu spüren, ihre Furcht und ihre stillen Gebete.
Die Uhr tickte und es vergingen dreißig Minuten. Ich ließ Cypher nicht aus den Augen, ahnte jedoch, dass er ein zweites Betrugsmanöver nicht riskieren würde.
Annas Blicke saugten sich regelrecht an mir fest und ihre Schwingung war präsenter als mir lieb war. Wie schon mehrfach gesagt, bin ich nicht gut darin, einen Menschen zu lesen, doch ihre Ausstrahlung war wie eine warme und weiche Wand. Wäre es nicht so absurd gewesen, hätte ich sie Liebe genannt. Liebe auf den ersten Blick! Also jene romantische Verirrung der Seele, die man für gewöhnlich nie, oder wenn doch, verzweifelt erlebt. Und ohne es zu wollen, wanderte mein Blick zu ihr. Es schien, als blicke ich ihr durch die Augen in das Herz. Ich hörte es pochen, das Rauschen des Blutes, den schweren Atem und ich lauschte der Furcht, die darin verborgen war. Furcht um mich. Furcht über das, was geschehen mochte. Und Furcht vor etwas Ungesagtem. Etwas, über das ich noch nicht informiert war. Was mir sonst nie passierte, erlebte ich mit Anna. Ich las sie.
Bei allen Göttern der Dunkelheit, so etwas hatte ich noch nie erlebt. Ich war scharf auf sie wie ein Hengst, dessen Riemen von drei läufigen Stuten beschnuppert wird und gleichzeitig empfand ich Sehnsucht danach, mein Gesicht in ihr schwarzes Haar zu wühlen und den Duft ihrer menschlichen Haut aufzusaugen, wollte ihre Lippen küssen und ihre Stimme hören. Und ich wollte sie trinken.
Mich an ihr besaufen.
Ihr warmes Blut auf meinen Lippen spüren. Dabei würde etwas von ihr auf mich übertragen werden. Manchmal waren es Bilder, dann wieder Gedanken, hin und wieder Erinnerungen, doch stets war es orgiastisch.
Benedikt seufzte und meine Konzentration kehrte zurück zum Spiel des Glaubens. Rasch analysierte ich die Positionen auf dem Schachbrett und es durchfuhr mich kalt. Cypher hatte einen genialen Zug gemacht, der seinen vermeintlichen Anfängerfehler ad absurdum führte und mir zeigte, dass er wusste, was er tat. Er wog seinen Gegner in Sicherheit und biss ihm von hinten in die Flanke wie eine Ratte, die sich versteckt hatte. Seine schmale Hand klopfte auf die Uhr und er lehnte sich zurück.
Die Sekunden verrannen.
Minuten.
Das Spiel konnte durchaus länger als 24 Stunden dauern. Der zeitliche Ausgang war ungewiss.
Man reichte dem Papst eine Tasse und er nippte am Tee. Sein faltiges Gesicht war das eines Pokerspielers. Ohne jede Regung, lediglich seine Augen irrten und suchten, was man nur wahrnahm, wenn man sehr genau hinschaute. Wenn er jetzt einen falschen Zug machte, hatte er verloren. Er musste mindestens fünf Spielzüge im Voraus planen, um nicht zu unterliegen, vorausgesetzt, Cypher folgte ihm und hatte nicht weitere Finten im Gepäck.
Erneut breitete sich eine unheimliche Stille aus.
Auch, wenn man keine Ahnung von Schach hatte, spürte man die gespannte Situation. Sie war in den regungslosen Gesichtern der Spieler abzulesen.
Ich hatte jedes Zeitgefühl verloren und bekam es erst zurück, als die Sonne über den Dächern Roms unterging und Anna gähnte, obwohl sie hellwach wirkte. Die Männer der Schweizergarde beobachteten
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