Hard Rock Vampir
gefiel mir und am liebsten hätte ich ihn in eine kleine Diskussion über dieses Thema verstrickt. Philosophieren mit dem Teufel. Das hatte was, und meine Songtexte würden davon profitieren.
Ich ließ die Hacke fallen, Anna senkte das Gewehr. Cypher nickte und ging an uns vorbei. Ich staunte über die Qualität seiner blitzenden Schuhe. Wir gingen hinter ihm her und nicht zum ersten Mal fragte ich mich, ob ich träumte. Alles war so bizarr, als hätte man mir einen schlechten Trip in den Wodka geworfen.
Cypher blieb stehen und drehte sich um. Seine Nasenflügel bebten. Er sah mich. »Untot. Sie sind untot. Nun begreife ich, warum man Sie ausgesucht hat«, sagte er. »Wir sind uns ähnlich, Mr Morgus. Auch Sie sind ein Wesen der Dunkelheit. Ein Vampir, vermute ich. Ein Geschöpf nach meinem Geschmack.«
»Ich bin als Schiedsrichter bestellt«, erklärte ich.
Cypher lächelte. »Er da oben hat keine Chance gegen mich. Niemand besiegt mich beim Schach. Luca Sciotto war italienischer Jugendmeister und er trainierte mich. Es dauerte nicht lange, bis ich ihn besiegte. Immer wieder. Ich kenne fast alle Eröffnungen der Schachgeschichte auswendig.«
»Luca hat Sie ...« Mir stockte der Atem.
»Selbstverständlich hat er das«, sagte Cypher. »Oder glauben Sie, er wollte, dass dieser sogenannte Heilige Vater gewinnt?«
»Wollte er nicht?«
»Nein, Mr Morgus. So verrückt war er nicht. Wie gesagt ... Luca Sciotto war ein kluger Mann.«
8
Sie saßen sich gegenüber.
Es gibt Situationen, die kann man nicht beschreiben. Ich war froh, kein Schriftsteller zu sein, denn dann hätten mir die Adjektive gefehlt. Bizarr. Absonderlich. Grotesk. Unwirklich. Und doch traf alles das nicht zu. Ich vermute, das hatte etwas mit dem Wissen um die Sache zu tun.
Grundsätzlich waren es nur zwei Männer, die sich über ein Schachbrett beugten. Zwei Männer, die sich gegenübersitzen, sind zwei Männer, die sich gegenübersitzen.
Wenn es sich um den Papst und den Teufel handelt, hat das eine Komponente, die einen an seinem Verstand zweifeln, und die Neuronen durchbrennen lässt.
Das muss man sich über die Lippen gleiten lassen und schon fehlen sie einem wieder, die Adjektive.
Ich starrte die Beiden an und wunderte mich über die Disziplin, mit der sie die Figuren aufstellten und entschieden, wer mit Weiß begann. Sie hatten kaum Worte gewechselt. Zehn Männer der Schweizergarde, diesmal nicht in klassischer Uniform, sondern in dunklen Anzügen mit Headset, sowie Bischöfe und selbstverständlich der attraktive Monsignore Gänswein, saßen auf Stühlen, und warteten. Warteten auf die allumfassende Dunkelheit oder auf den Sieg ihres Herrn und Meisters.
Am liebsten hätte ich gelacht, doch meine Lache hätte vermutlich irre geklungen. Liebe Güte, nun waren sie beisammen. Nun hatten sie endlich die Gelegenheit, Dinge zu besprechen, von denen in der Heiligen Schrift geschrieben stand. Cypher war das einzige Wesen, welches Jesus von Nazareth leibhaftig begegnet war. Sie hätten sich austauschen können, hätten eine Allianz vereinbaren können, hätten, hätten ...
Und verhielten sich wie Wyatt Earp gegen Billy the Kid beim großen Duell auf der staubigen Straße von Tombstone. Ich wollte schreien, wollte zu ihnen laufen und die Spielfiguren vom Brett wischen, wollte sie an den Köpfen packen und sie an der Stirn zusammenschlagen, bis sie endlich aufhörten, sich wie kleine Jungen zu verhalten.
Sprecht miteinander, denn ihr seid euch ähnlicher, als ihr glaubt! War Satan wirklich die Schlange im Paradies, die die Menschen verführte? Was meinte Jesus, als er nicht die Schlange, sondern Satan als den Vater der Lüge bezeichnete? War Mr Cypher wirklich jener Azazel, also einer der Gottessöhne, der mit den Menschentöchtern die Nephilim, die »Riesen der Vorzeit« zeugte? Warum hatte Paulus den Teufel als Gott dieser Welt bezeichnet? War Mr Cypher derselbe, den man in Arabien den Schaitan nennt, oder hatte er Brüder?
Sah Moses aus wie Charlton Heston? War Jesus schwul gewesen oder Vater hübscher Kinder? Welche Rolle spielte Maria Magdalena? Und wie funktionierte eine unbefleckte Empfängnis?
Nichts davon.
Stattdessen legte Ratzinger ein Blackburne-Gambit vor, also eine Eröffnungsfalle, auf die Cypher nicht einging. Clever! Ich staunte über meine Sachkenntnisse und zog innerlich vor meinem DNA-Vater Christopher den Hut. Er hatte seine zweihundert Jahre wirklich gut genutzt und viel gelernt.
Eine der Flügeltüren öffnete sich
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