Hardcore Zen: Punk Rock, Monsterfilme & die Wahrheit über alles (German Edition)
„verrückt“ erlebt werden.
Einmal hörte ich tatsächlich die ganze Zeit über den Song „Kashmir“ von Led Zeppelin, gerade so, als ob neben mir ein Radio gestanden hätte. Ich schaute mich sogar um, um herauszufinden, ob jemand eines mit in den Raum gebracht hatte. Die Dämonen, die auf alten Gemälden dargestellt werden oder von denen in Legenden gesprochen wird, sind weiter nichts als genau der gleiche Kram. Jene schönen Malereien aus tibetischbuddhistischer Kunst sind Darstellungen all der Dinge, die einen davon ablenken, die Wahrheit zu finden. Das Problem ist, dass sich so viele Leute verwirren lassen und denken, diese Art Abbildungen seien Abbildungen der Wahrheit selbst.
In der letzten Nacht von 49 Tagen Zazen, die zu seiner Erleuchtung führten, soll Gautama Buddha Mara, dem König der Dämonen, gegenüber gestanden haben. Als Mara ihn mit jeder Art von Schrecken (und allen möglichen Verlockungen) konfrontierte, berührte Buddha den Erdboden als symbolische Geste seiner Verwurzelung in der Wirklichkeit. Man kann oft Statuen von ihm in dieser Haltung sehen, im Lotussitz und mit einer Hand auf dem Boden. Die Geschichte ist der „letzten Versuchung“ Christi in der Wüste bemerkenswert ähnlich. Beide Geschichten beziehen sich zweifellos auf dasselbe psychologische Phänomen.
Im Zen-Buddhismus ist von
makyo
oder der „Welt der Dämonen“ die Rede. Natürlich gibt es nicht wirklich einen Bereich, den man die Welt der Dämonen nennt. Doch verstörende psychische Zustände können so echt wirken, dass Leute auf sie reagieren, als ob sie absolut real wären, und das ist ein Problem.
Begegnungen mit Göttern und Dämonen, Besuche in himmlischen und höllischen Gefilden – etwas über solchen Kram zu lesen macht Spaß, doch für Leute in der modernen westlichen Gesellschaft hat es nicht allzu viel Bedeutung. Heutzutage sehen die Leute einfach nicht mehr so oft Götter und Dämonen, wie sie es einst zu tun pflegten. Was unsere Vorfahren als Visionen von Göttern, Dämonen und Besuchen in Himmel und Hölle bezeichneten, ist das, was wir heute Halluzinationen, manische Zustände, Depressionen – oder gar Psychosen – nennen.
Götter und Dämonen sind an Kulturen gebunden. Die Hexenverfolgungen von Salem, so sagt eine Theorie, waren das Resultat davon, dass sich einige Leute mit Mutterkorn vergiftet hatten, einem Pilz, der dieselbe chemische Substanz enthält, die später synthetisch hergestellt und LSD genannt wurde. Diese Leute glaubten, ihre „Visionen“ seien das Ergebnis von Hexerei. Unschuldige Frauen wurden gefoltert und getötet, weil diesen Leuten die Einsicht fehlte, dass bestimmte chemische Substanzen Veränderungen in Hirnprozessen bewirken können, die zur Entfesselung unterdrückter psychischer Triebe und sogar zu Halluzinationen führen können. Das ist gefährliches Zeug.
Visionen und das Gehör betreffende Halluzinationen, ob du nun vierarmige Buddhas den
Hippy Hippy Shake
tanzen siehst oder sprechende Kängurus hörst, die dir befehlen, dir eine AK-47 zuzulegen und dein Großraumbüro auszulöschen, sind Anzeichen fehlerhafter Prozesse im Gehirn. Und sonst nichts. Ich habe nie so wirklich verstanden, warum zum Beispiel Leute, die körperlose Stimmen hören, dazu neigen, das zu befolgen, was ihnen diese Stimmen vorschreiben. Wenn sich irgendein Unbekannter im Bus neben dich setzen und sagen würde, dass du ins Weiße Haus einbrechen und den Hund des Präsidenten begrapschen solltest, würdest du’s tun? Würdest du es überhaupt in Erwägung ziehen? Warum sind körperlose Stimmen da vertrauenswürdiger? Wenn mir eine körperlose Stimme jemals so was antragen würde, würde ich ihr erzählen, dass sie sich ’nen Körper suchen und ins Knie ficken soll.
Von diesem „Kashmir“-Moment mal abgesehen, habe ich durch Zazen niemals halluziniert. Heutzutage tun das auch die wenigsten Leute. Das, was dir, wenn du halbwegs gefestigt bist, mit wesentlich größerer Wahrscheinlichkeit passieren wird, ist, dass der ganze Krempel, den du dein ganzes Leben lang unterdrückt hast, auf wesentlich subtilere Art und Weise an die Oberfläche blubbert.
All jenes unterdrückte Zeug ist Jahrzehnte lang durch bewusste und unbewusste Prozesse umgeformt, verdreht und umgestaltet worden. Und was noch schlimmer ist, ist, dass du dem Ergebnis davon, diese ganze Scheiße in deinem Hirn zu verquirlen, den Namen „Ich“ angeheftet hast. Du musst anerkennen, dass dieses „Ich“ eine Menge Dinge
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