Hardcore Zen: Punk Rock, Monsterfilme & die Wahrheit über alles (German Edition)

das Zittern still zu halten. Ich zwinge meinen Atem in einen normalen Rhythmus durch sehr willkürliches Einatmen auf Zählen bis drei, Ausatmen auf Zählen bis drei. Ich versuche, irgendwas Konkretes auszumachen, das zumindest potenziell furchteinflößend sein könnte. Ich gebe mir echt Mühe, doch kann ich nichts wirklich Furchteinflößendes finden. Habe ich vielleicht so ’ne Art Vorahnung einer bevorstehenden Gefahr aus irgendeiner unvorstellbaren Quelle?
Schritt für Schritt zwinge ich meine Gedankenprozesse allein durch Logik zur Normalität zurück, da meine Emotionen völlig außer Kontrolle sind.
Ich werde gewahr, dass ich einen Traum hatte, und dass er eine Art unterbewusste Botschaft war. Irgendwas in meinem Leben erzeugt bei mir immenses Leid und ich war mir dessen nicht einmal bewusst. So surreal die Bilder auch waren, es steckt eine Botschaft in ihnen, die ich bewusst interpretieren kann. Ich kann sehen, was zu tun nötig ist, und beschließe, es zu tun. Ich realisiere deutlich, dass ich die Ursache meines eigenen Elends und der Einzige bin, der dem ein Ende setzen kann. Als mein Herzschlag sich beruhigt hat und ich wieder normal zu atmen beginne, schleiche ich zurück in den Schlafsaal und krabbele auf meinen Futon. Nach ungefähr einer Stunde hat sich mein Geist genügend beruhigt, um mich in einen unruhigen Halbschlaf fallen zu lassen.
    WENN DU ZAZEN AUFRICHTIG PRAKTIZIERST , wirst du schließlich Dämonen begegnen. Diese Dämonen sind psychologischer Natur, doch sie sind genauso furchteinflößend wie die feurigen Bewohner der Hölle. Zazen zu praktizieren ist wie den Deckel von einem Topf kochendem Großbrandalarm-Chili zu nehmen und zur gleichen Zeit die Hitze hochzudrehen. Der ganze Kram in deinem Geist schwappt hoch und läuft über den Rand. Das kann ’ne ziemliche Sauerei geben.
    Den ganzen Tag lang, jeden einzelnen Tag, unterdrückst du alle Arten von Gedanken und Trieben, die in deinem Geist auftauchen. Das musst du – es ist Teil dessen, ein funktionierendes Mitglied der Gesellschaft zu sein. Alle von uns haben fiese asoziale Neigungen. Jeder Einzelne von uns. Nicht nur die Nazis, Al Qaida und die Leute auf der Liste der Sexualverbrecher – oder welchen Feind der Woche die Medien sonst gerade pushen. All diese Bösewichte bist du. Und ich auch. Sie sind jedes menschliche Wesen auf der Welt, ohne Ausnahme. Vielleicht hast du nicht einen dieser bestimmten Triebe, von denen dir die Medien erzählen, sie seien die allerschlimmsten (zumindest redest du dir selbst ein, du hättest sie nicht), doch du hast andere, und die sind genauso fies und abscheulich. Jeder Mensch hat sie. Das ist Teil der menschlichen Natur. Die Gesellschaft konditioniert uns dazu, bestimmte Aspekte der universellen menschlichen Natur zu ignorieren, da sich diese Aspekte gegen den Erhalt der Gesellschaft richten. Alle menschlichen Wesen haben widerliche Begierden – doch du kannst keine funktionierende Gesellschaft haben, wenn die Leute durch die Gegend laufen und andauernd Kätzchen vergewaltigen, Kioskbesitzer niederstechen, und alten Damen die Unterwäsche klauen. Und vergewaltigen, morden und stehlen sind bloß die Spitze des Eisberges. Es gibt Milliarden geringerer Triebe, die wir alle haben, die ebenso, wenn auch auf subtilere Weise, asozial sind – und diese müssen ebenso unterdrückt werden. Wir nennen das meiste von diesem Zeug allerdings nicht bloß inakzeptabel oder sogar bloß asozial. Wir haben eine wesentlich mächtigere Kategorie dafür. Wir nennen es „falsch“, „sündig“ oder „böse“. Was sich gegen die Gesellschaft richtet, ist „falsch“, und was für sie ist, ist „richtig“.
Wahrhaftes
Richtig und Falsch deckt sich nicht notwendigerweise komplett mit der gesellschaftlichen Definition von richtig und falsch – und verschiedene Gesellschaften sind sich bei diesen Definitionen sowieso nicht einmal einig!
    Eine Menge religiöser Lehren entsprangen dem echten Verständnis gewisser grundlegender Dinge, die getan oder vermieden werden mussten, um die Gesellschaft aufrechtzuerhalten. Das jüdische Verbot, Schweinefleisch zu essen, wurde wahrscheinlich aufgestellt, nachdem Leute an einer durch den Verzehr von verdorbenem Schweinefleisch verursachten Vergiftung starben. In jenen Tagen war es bereits ein bedeutender gedanklicher Sprung, die Verbindung zwischen einem derartigen Tod und dem gegessenen Fleisch nachzuvollziehen. Doch dann gingen die Leute unnötigerweise dazu über, daraus zu