Hardcore Zen: Punk Rock, Monsterfilme & die Wahrheit über alles (German Edition)
wurden, dass sie zu unbewussten und nahezu unvermeidlichen Gewohnheiten geworden sind.
Du bist auch nicht deine Persönlichkeit. Die ist nur eine Sammlung sehr tief verwurzelter Meinungen und Vorlieben. Und auch hier werden, wenn du genug Zazen machst, Zeiten kommen, in denen sogar deine Persönlichkeit zu funktionieren aufhört – zumindest auf die altbekannte Weise. Dinge, die du als einzigartig an dir angesehen hast, werden dann als Facetten gesehen, die im ganzen Universum verbreitet sind.
Ich hab’s bereits gesagt, doch es ist ’ne Wiederholung wert: Jeder hat ein Selbstbild, ein Ego. Du hast eins, ich hab’ eins, Nishijima hat eins, Dogen, Nagarjuna und Gautama Buddha hatten auch eins. Der Unterschied liegt in der Art und Weise, in der ein Buddhist sein Selbstbild betrachtet. Wenn eine Person, die den Buddhismus versteht, das Wort
ich
gebraucht, ist dieses Wort nur ein praktisches Mittel, um etwas zu lokalisieren. Das Wort
Ich
wird von Buddhisten auf die gleiche Weise benutzt, auf die die Leute jede andere etwas bezeichnende Wortgruppe auch benutzen, wie zum Beispiel die Worte
Gibson Les Paul Gitarre
. Du hast keine wirklich starke Anhaftung an die Gitarre (nun ja, wenn’s denn ’ne Les Paul ist, dann vielleicht schon – aber das ist es nicht, wovon ich gerade spreche); du weißt, dass sie nur ein wenig Holz ist, das durch Schrauben zusammengehalten wird, und dass das Holz ursprünglich Teil von Bäumen war und die Wirbel, Bünde und Schrauben einst Teile von Felsen im Boden. Die Gitarre wird sich irgendwann wieder in Stücke auflösen (und das wird sie sogar ziemlich schnell tun, wenn du sie auf einen Hardcore-Gig in ’ner Redneck-Bar in Ohio mitnimmst). Doch keiner ihrer Bestandteile wird jemals wirklich verschwinden. Sie ändern lediglich ihre Form. Und obwohl sie nicht verschwinden, kommt einmal eine Zeit, wo man sie nicht länger eine Gitarre nennen kann. Nach diesem Zeitpunkt kannst du die Les Paul niemals wieder zusammensetzen, ganz egal, wie sehr du es versuchst. Das Ding, auf das sich das Wort
Ich
bezieht, ist genau so.
Es ist sehr schwierig, diese Form von Verständnis zu erreichen, sobald es den Sinn für unser Selbst betrifft. Seit unserer Geburt wurde uns mehr oder weniger stillschweigend beigebracht, dass unser „Selbst“ etwas Fundamentales, Wichtiges und Wirkliches sei. Doch unser Selbstbild ist nichts anderes als die Summe jener einzelnen Dinge der universellen menschlichen Natur, für die wir entschieden haben, sie in unserem eigenen Leben hervorzuheben. Einige Lehren differenzieren gerne zwischen „selbst“ mit kleinem s und „Selbst“ mit großem S, doch das verschleiert das Problem bloß mit unnötigen Komplikationen. Ganz egal, wie du es schreibst, das Selbst ist eine Illusion.
WENN DEINE ZAZEN-PRAXIS VERNÜNFTIG IST, du nicht zuviel davon machst oder zu sehr danach strebst, irgendein Ziel zu erreichen, ist es eher unwahrscheinlich, dass deine Dämonen in der Form von Halluzinationen oder massiven Angst- und Panikattacken erscheinen werden. Doch merk dir meine Worte: Deine Dämonen
werden
erscheinen. Solche Phänomene zu erfahren, ist ein Zeichen dafür, dass deine Praxis heranreift. Der Schlüssel ist, sich da nicht hineinziehen zu lassen und es nicht wegzuschieben. Lass’ dich von den furchteinflößenden Erfahrungen nicht ins Bockshorn jagen und von den verführerischen nicht verführen. Behalt’ ’nen klaren Kopf. Einen echten Lehrer zu finden, wird dir dabei helfen.
Die Angst, die ich in jener Nacht im Tempel verspürte, war die Angst davor, mich selbst zu erkennen, und die Angst davor, was ich dabei entdecken würde – dass es kein Ich gab. Das Selbst ist eine Illusion. Die Lehre vom Nicht-Selbst ist in buddhistischen Kreisen dermaßen verbreitet, dass so gut wie jeder, der ein paar Bücher mit „Buddha“ oder „Zen“ im Titel gelesen hat, denkt, dass er’s gerafft hätte. Vor dieser Nacht dachte ich das auch. Doch ich verstand es nur auf intellektueller Ebene – und das war nichts im Vergleich dazu, dieser Wahrheit direkt ins Gesicht zu schauen.
Die Gesellschaft erzählt dir, dass du zu ihrem Wohle deine Triebe unterdrücken musst. Doch basieren all diese sozialen Verhaltensregeln auf einem tiefgreifenden Missverständnis dessen, wer wir wirklich sind. Sie basieren auf dem Konzept des individuellen Selbst. Das Konzept des Selbst ist auf Vergangenheit und Zukunft angewiesen. „
Ich
habe eine Vergangenheit.
Ich
habe eine Zukunft.“ Du sagst:
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