Hardcore Zen: Punk Rock, Monsterfilme & die Wahrheit über alles (German Edition)
zwar in der Lage sind, den ausgewogenen Zustand des Universums zu fühlen, solange sie ihrer Kunst nachgehen, ihn aber in der Regel zu allen anderen Zeiten nicht bemerken. Der Knackpunkt ist, dass die Quelle ihrer geistigen und körperlichen Ausgeglichenheit ihnen zum Hindernis wird: Sie fangen an, zu glauben, dass Ausgeglichenheit etwas sei, dass nur dann eintritt, wenn sie einen Korb erzielen, eine anspruchsvolle Rolle spielen oder eine Gitarre umschnallen und drauflos klampfen.
Eine Menge Zen-Schüler gehen übrigens in die gleiche Falle: Sie glauben, dass Ausgeglichenheit nur eintrete, wenn sie „tief“ in Zazen sind und zu keiner anderen Zeit. Solche Schüler verbringen oft viel zu viel Zeit mit Zazen und schlussendlich führt sie die Praxis immer weiter von wahrer Ausgeglichenheit fort.
Der Unterschied zwischen der Ausgeglichenheit, die ein Profi-Tennisspieler oder ein richtig heißer Drummer erreichen, und derjenigen, die ein Zen-Praktizierender erlangt, ist, dass die Ausgeglichenheit, die letzterer durch Zazen entwickelt hat, universaler und allumfassender ist. Zen-Leute haben es leichter, sich den ausgeglichenen Zustand von Körper und Geist zu bewahren, nachdem sie vom Kissen aufstehen, als es Künstler haben, nachdem sie von der Bühne steigen. Zen-Leute neigen auch dazu, weniger Geld und Ruhm zu haben, was ebenfalls hilft – wenn du alles kriegen kannst, von dem du denkst, du wolltest es, neigst du dazu, mehr Zeit und Energie damit zu verbringen, diese erfundenen Bedürfnisse zu befriedigen, als dich selbst ehrlich und kritisch zu betrachten, zu entdecken, was du wirklich bist und wirklich brauchst. Gitarre spielen oder Malen oder was auch immer umfasst nur einen kleinen Teil des Universums. Zazen umfasst alles.
18 Doing zazen, you become king of the world.
19
I
’m the king of the night time world!
20 Wo ich auch hingeh’, jedes Gesicht, das ich seh’, mein eigenes Gesicht seh’ ich mich anseh’n.
* Obwohl ich dir gerne sagen möchte, Gene, falls du das hier lesen solltest, dass Carnival of Souls ein brillantes Album war, das nie die Beachtung bekommen hat, die es verdient hätte. Und vielen Dank für das Exemplar von Kisstory II, das du mir geschickt hast.
DIE WELT DER DÄMONEN
I think of demons.
Roky Erickson
aus dem Album „The Evil One“
Ein Albtraum von zertrümmerten Formen und bizarren Empfindungen, gefolgt von einem wachen Albtraum unausweichlicher Panik, kaltem Schweiß und rasendem Herzen. Furchtbare schwarze Angst. Ohne Ausweg.
Wo bin ich? Was ist das für ein großer Raum? Warum sind überall um mich herum Körper? Warum liege ich auf dem Boden?
Atme. Denke. Beobachte. Was ist das für ein Ort?
Ein Tempel. Ach ja, ich bin in einem Tempel!
Es ist ein buddhistischer Tempel, spreche ich vor mir her. Ein buddhistischer Tempel in Shizuoka. Die Leute um mich herum sind nicht tot, stelle ich fest, sie schlafen nur. Es ist die erste Nacht des 1997er Zazen-Sommer-Retreats. In meiner Nähe gibt es nichts, dass mir auch nur den geringsten Schaden zufügen könnte. Doch warum habe ich dann solche Angst? Ich möchte so weit und so schnell wie möglich davonrennen, wie am Spieß brüllen und nach Hilfe rufen. Doch wohin sollte ich schon rennen? Und wovor davonlaufen – vor einigen Zen-Freaks, die auf dem Boden pennen? Ich sage mir selbst wieder und wieder, dass es keinen Grund zur Panik gibt, dass es nichts gibt, vor dem ich Angst haben müsste. Bleib ruhig.
Ich schleiche mich aus dem Schlafsaal, lasse die uralte Holztür der Haupthalle des Tempels aufgleiten und gehe leise hinein. Zumindest sind hier die Lichter an.
Ich bin in einer Umgebung völliger Ruhe und widme meine Tage dem Streben nach innerem Frieden durch die stille Praxis von Zazen – was könnte wohl weniger furchteinflößend sein? Und dennoch kommt mein Atem in abgehackten Stößen, mein T-Shirt ist schweißdurchtränkt, und ich kann nicht aufhören zu zittern. Nie zuvor in meinem Leben habe ich eine solche Panik verspürt. Wenn ich von einer blutdurstigen, barbarischen, mit Motorradketten bewaffneten Gang durch eine dunkle Gasse gejagt worden wäre, hätte ich mich nicht schlimmer fürchten können. Die gesamte Furcht, die ich je in meinem Leben empfand, überkam mich in der Mitte dieser Nacht.
Ich sitze auf einer Bank gegenüber der Buddha-Statue im Zentrum der Haupthalle, ein paar Meter von dem Punkt entfernt, von dem aus Nishijima uns erst vor ein paar Stunden belehrt hat. Ich arbeite hart daran, meinen Körper gegen
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