Hardcore Zen: Punk Rock, Monsterfilme & die Wahrheit über alles (German Edition)
schließen, dies deute darauf hin, dass der Verzehr von Schweinefleisch offenbar gegen den Willen Gottes sei.
All unsere religiösen und gesellschaftlichen Richtlinien wurden für uns von Menschen aufgestellt, die Verbindungen zwischen bestimmten Handlungen und ihren Ergebnissen herstellten. Manchmal waren ihre Folgerungen korrekt und manchmal völlig falsch. Doch korrekt oder nicht, sie wurden von Generation zu Generation weitergereicht und sammelten dabei immer mehr psychologische und soziale Bedeutung an. Tausende Jahre später ist dann die Annahme eines Mannes bezüglich der Verbindung zwischen dem, was er letzten Donnerstag tat und irgendeinem Glücksfall, der am folgenden Wochenende eintrat, zu Gottes unumstößlichen Gesetz geworden, das niemand brechen soll, so er denn nicht auf ewig verdammt sein will.
In welche Gesellschaft auch immer du hineingeboren wurdest, es gibt dort Hunderte über tausende über Millionen dieser Regeln, kleine und große. Einige sind so subtil, dass sie dir niemals auffallen würden. Es sind Annahmen, die direkt in die Struktur unserer Sprache verwoben sind. Es ist akzeptabler zu sagen, „die Toilette benutzen“, als „scheißen gehen“ zu sagen, denn ersteres deutet darauf hin, dass du darüber Bescheid weißt, dass gute Mitglieder der Gesellschaft an einem besonderen Ort scheißen gehen, den man Toilette nennt. Die meisten Worte, die wir als obszön ansehen, beziehen sich auf Dinge, die die Gesellschaft ignorieren oder zumindest sehr privat halten möchte. Auf deinem gesamten Lebensweg unterdrückst du automatisch die Dinge, von denen die Gesellschaft dich gelehrt hat, dass sie „schlecht“ sind – entweder willkürlich oder unbewusst. (Und natürlich gibt es da noch solche feinsinnigen Angelegenheiten wie die Tatsache, dass die meisten Sprachen dich dazu zwingen, in jedem Satz das Konzept eines
Selbst
zu bekräftigen:
Ich
bin genervt.
Ich
mag Nacktschnecken mit Schoko-Glasur.
Ich
bin erleuchtet worden.)
Der meiste Kram davon wird so schnell und effizient unterdrückt, dass er nicht einmal Zeit hat, als Gedanke oder Idee in deinen bewussten Geist einzutreten.
Du darfst nicht auf den Boden kacken. Du darfst nicht vor den Augen deines Babysitters in der Nase bohren. Du darfst vor anderer Leute Augen nicht an deinem Pillermann rumspielen. Und so sicher wie das Amen in der Kirche darfst du auch nicht an den Pillermännern anderer Leute rumspielen. All dieses Zeug wird als „verwerflich“ kategorisiert.
Warum?
Es gibt Traumen, die wir alle in unseren Köpfen herumtragen, seit wir nicht einmal drei Jahre alt waren. Dieses tief eingegrabene Zeug ist so abstrakt, dass es fast unmöglich ist, es als das zu erkennen, was es ist. Denk mal drüber nach. Die Traumen, die du ausstehen musstest, als du noch ein Kleinkind warst, wurden von einem Wesen erfahren, das dem, was du heute als dein „Selbst“ bezeichnest, nur sehr wenig gleicht. Würden diese Ereignisse plötzlich zurück in dein Bewusstsein strömen, wäre es unmöglich, vorherzusagen, wie dein Gehirn sie schließlich deuten würde.
In meinem Fall kam all dieses Zeug und noch tonnenweise mehr als tiefe, grund-, und ausweglose Angst wieder hoch. Später kam die gleiche Sorte Zeug in Gestalt erstaunlicher Träume voll fabelhafter Wunder wieder hoch (mehr davon später).
Die Beschränkungen, die wir uns selbst auferlegen, sind der Preis, den wir zahlen, um eine Zivilisation zu haben. Es gibt keine andere Möglichkeit, wie Zivilisation sonst existieren könnte. Und doch haben wir in unserer eigenen Gesellschaft einen Punkt erreicht, an dem wir damit beginnen können, dieses Phänomen als das zu begreifen, was es ist. Weit davon entfernt, die gefährliche Lockerung der Moral zu sein, vor der uns so viele warnen, ist diese Entwicklung tatsächlich das Erwachen der Gesellschaft zu einem Sinn für
echte
Moral, eine Moral, die wesentlich mächtiger ist als jede, die durch bloße Furcht vor einem Gott aufrechterhalten wird, dessen Existenz die meisten von uns anzweifeln.
WÄHREND MAN ZAZEN MACHT, sitzt man in einem Zustand, in dem die Mechanismen der psychologischen Verdrängung ein wenig fließender und weniger zurückhaltend werden. Das ist der Moment, in dem die Dämonen aus den Höhlen freigelassen werden, in denen wir sie einsperren. Einige Leute finden ihre unterdrückten Gedanken vielleicht so wesensfremd, dass sie abstrakte Formen annehmen oder in der Form von Halluzinationen auftauchen, Dinge, die buchstäblich als
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