Hardcore Zen: Punk Rock, Monsterfilme & die Wahrheit über alles (German Edition)
nichts damit zu tun, dass ich im „Animationsgeschäft“ arbeitete. Das war eine ernste, sehr tiefgehende Sache. Komm schon!
Mit dem Geist Gottes verschmelzen!
Wie könnte man überhaupt noch tiefer und inniger werden?
Ich heulte fast, als ich seine Mail an mich las. Ich bin sicher, dass ich zusammengebrochen wäre, wenn er mir so was persönlich gesagt hätte. Ich verbrachte den gesamten Morgen damit, mich traurig und verwirrt zu fühlen. Es war ein riesiger Absturz. Einen größeren konnte es gar nicht geben.
DOCH WIE SICH DER TAG SO DAHINSCHLEPPTE, fielen mir allmählich ein paar Dinge auf, die unter die Lupe zu nehmen ich die letzten paar Wochen über einfach zu blöd gewesen war. Zunächst einmal kann dir niemand dein Erleuchtungserlebnis wegnehmen oder es bestreiten, wenn es echt gewesen ist. Erleuchtung bedeutet, in jedem Moment wahrhaftig das zu verkörpern, was du wirklich bist. Keinerlei Maß an Kritik von irgendjemandem kann das jemals antasten, genauso wenig, wie niemandes kritische Worte auf eine magische Weise deine Nase verschwinden lassen könnten. 36 Niemand kann dir dich wegnehmen.
Doch mein großes Erlebnis der Verschmelzung mit Gott, wie tief und ergreifend es zu der Zeit auch gewesen sein mag, lag in der Vergangenheit. Es war weder hier noch jetzt. Tatsächlich war die Erinnerung so mächtig, dass sie meiner wahren Erfahrung des Hier und Jetzt im Wege stand. Ich opferte mein wirkliches, mein Alltagsdasein für einen Traum. Ob ich nun wirklich Entstehung und Untergang des Universums gesehen hatte oder nicht, tat absolut nichts zur Sache. Im Augenblick zählte das nicht, denn gerade jetzt war es nicht das, was ich erlebte. Gerade jetzt erlebte ich, ein eben noch euphorischer Typ gewesen zu sein, der nun in seinem Büro in Tokio saß und sich selbst leid tat. Was in jener Nacht geschah, war vorbei. Genauso vorbei wie der Tag, an dem ich die buddhistischen Gebote empfing, vorbei wie der Tag, an dem ich das Herz-Sutra zum ersten Mal hörte, vorbei wie jeder Gig, den Zero Defex jemals gespielt hatten, vorbei, wie mein erster Kuss vorbei war, vorbei wie meine Kindheit in Nairobi. Vorbei, vorbei, vorbei, um niemals wiederzukehren, ganz egal, wie sehr ich mir das wünschte, darum trauerte oder darüber fantasierte.
Diese Sorte Problem ist unter Zazen-Praktizierenden ziemlich verbreitet. Sie haben diese echt coolen Erlebnisse oder echt scharfen Einsichten, und dann verbeißen sie sich für immer darin, wie ein Pitbull in den Arsch eines Postboten – und verpassen dadurch völlig den Rest ihres Lebens. Das ist ein Spiel, dass das Ego spielt: Wenn es dich nicht durch die gewöhnlichen Methoden dazu bringen kann, weiterhin an es zu glauben, wirft es dir irgendwas hin, das sich genauso anfühlt, wie du dir die Erleuchtung schon immer vorgestellt hast. Und sobald du anfängst, an dieses Zeug zu glauben, hat dein Ego dich genau da, wo es dich haben wollte. Du wirst nie mehr dazu in der Lage sein, dir dein alltägliches Leben ehrlich anzuschauen.
Doch du musst dieses ganze Zeug vergessen und dahin zurückkehren, wo du bist.
BIS ZUR MITTAGSPAUSE hatte ich ein paar Stunden lang über Nishijimas E-Mail nachgegrübelt und fühlte mich quasi verdammt dazu, mich durch den Rest meines stumpfen, traurigen, kläglichen kleinen Lebens zu quälen.
Doch in einem Winkel meines Geistes funkelte noch etwas anderes. Ich wusste, dass mein Leben in Wahrheit absolut nicht übel war. Es war eine wundervolle Sache. Es war eine kostbare, zerbrechliche und sehr wertvolle Sache. Auf der Welt gibt es viele Diamanten, und wenn du deinen Lieblingsstein verlierst, kannst du hart arbeiten, ’ne Menge Kohle verdienen und dir ’nen anderen besorgen, um ihn zu ersetzen. Doch mit den Momenten deines Lebens läuft das nicht so. Wenn sie einmal vorbei sind, werden sie nie mehr wiederkehren. Jeder Einzelne von ihnen ist das Kostbarste, das es gibt. Du kannst niemals sinnvoll einen Moment mit dem anderen vergleichen. Du kannst niemals sinnvoll dein Leben mit dem irgendeines anderen vergleichen. Ganz egal, wie reich sonst jemand sein mag, ganz egal, wie glücklich sie aussehen, ganz egal, wie erleuchtet sie erscheinen mögen, sie können niemals du sein. Nie und nimmer.
Nur du kannst dein Leben leben.
Meine Frau hatte mir eine
mikan
, eine Art japanische Mandarine, zum Essen mitgegeben – und ich saß an meinem Schreibtisch und begann, sie zu schälen. Als ich beobachtete, wie sich die Schale von der Frucht löste, traf es mich wie ein
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