Harka der Sohn des Haeuptlings
fertig zu werden. Unter den Augen der Späher durchwatete er die Furt und lief, mit nassen und kalten Beinen, ein Stück nordwärts ins Wiesenland hinaus. Dort waren keine Posten aufgestellt, da es zu genügen schien, den breiten Fluß vom Südufer aus zu überwachen. Harka wurde von niemandem zurückgerufen. Die Wachen wußten, daß der Häuptlingssohn immer kühn, aber auch überlegt handelte. So konnte der Junge seinen Weg selbst wählen.
Mit seinem Messer bewaffnet, strich er flußaufwärts. Es war eine große Stille um ihn. Über dem ganzen Dorf und seiner Umgebung lag Schweigen, seit die Männer den fruchtlosen Büffeltanz mit der beginnenden Nacht abgebrochen hatten. Nur der Fluß sang sein eintöniges, zuweilen von einem Aufrauschen unterbrochenes Lied weiter.
Als der Nachtwind Harkas Haut getrocknet hatte, suchte er sich einen Platz zum Ruhen, Auslugen und Nachdenken. Er versteckte sich sehr gut im Gras, machte sich sogar eine Graskrone, um den Kopf unbemerkt heben zu können, und beschloß dann endgültig, die Nacht allein zu verbringen. Die Aufmerksamkeit, die er in der Wildnis aufwenden mußte, zwang ihn, anderes zu denken als »Mazzawaken«, und zu anderen Gedanken wollte er sich selbst zwingen. Er kämpfte auch tapfer gegen Hunger und Müdigkeit. Er wollte eine Probe vor sich selbst ablegen, wie er sich zu beherrschen vermöge.
Nach den Sternen zu urteilen, ging es auf die Mitte der Nacht zu. Harka bemerkte auf einmal etwas, was ihm auffiel. Nordwärts von ihm hatten sich in einem Wiesental einige hohe Gräser gegen den Wind bewegt. Die Ursache konnte nur ein Tier oder ein Mensch sein. Harka hatte aber kein Rascheln vernommen. Das Lebewesen mußte sehr geschickt sein und einen leichten Tritt haben. Der Junge spähte mit Anstrengung. Er konnte aber nichts weiter wahrnehmen. Er vermutete daher, daß sich das Lebewesen noch hinter den Gräsern befand. Vielleicht hatte ein Tier dort seinen Bau. Vielleicht aber war es ein Mensch, der haltgemacht hatte.
Was jetzt tun?
Harka war schon des öfteren mit dem Vater auf Jagd gewesen und hatte Geduld gelernt. Er wartete. Den Kopf hob er ein klein wenig, um weiter sehen zu können, aber er tat das langsam und so vorsichtig, daß das Höherschieben der Graskrone zwischen den anderen Gräsern kaum auffallen konnte. Als er sich so eingerichtet hatte, fuhr er vor Überraschung leicht zusammen. Er nahm ein Stück weit hinter den Grashalmen, die sich verdächtig bewegt hatten, einen Fuß wahr, einen kleinen Fuß wie den eines Knaben, in einer Stellung, als ob der Betreffende auf dem Bauch am Boden liege, mit dem Kopf unmittelbar hinter der Gruppe hoher Gräser.
Hatte etwa einer der Jungen Hunde sich hierhergewagt, um mit dem Anführer des Bundes Krieg zu spielen und ihn zu überlisten? Dann sollte er bald bemerken, daß Harka Steinhart Nachtauge Wolfstöter mit ihm fertig wurde. Um einen Pani konnte es sich nicht handeln, denn wenn Indianerjungen auch große Freiheit hatten, so doch nicht die, sich in solche Nähe eines Feindlagers zu schleichen.
Harka beschloß, nicht die Wachtposten aufmerksam zu machen, sondern selbst zu handeln. Er wollte den unbekannten Jungen umgehen und überraschen.
Dieses Unternehmen reizte ihn sehr.
Er zog sich in geübter Weise, lautlos wie eine Schlange, in die leichte Senke hinter dem Wiesenbuckel zurück. Als er aus dem Gesichtskreis des unbekannten Jungen gelangt sein mußte, bewegte er sich rascher und achtete nur darauf, kein Geräusch zu erzeugen. Lautlos zu schleichen war in der Prärie nicht schwer; es war viel leichter als im Wald, weil es keine dürren Zweige und kein trockenes Laub am Boden gab. Harka schlug sicherheitshalber einen weiten Bogen und strebte dann von Norden her der Stelle zu, an der er den Fuß des Knaben gesehen hatte. Je näher er kam, desto bedachter ging er vor.
Endlich war es soweit. Er sah den Gesuchten!
Da lag er ausgestreckt auf dem Bauch, die Beine gespreizt. Er lag mit dem Gesicht zur Erde, als sei er eingeschlafen. Vielleicht war das eine List. Vielleicht hatte der unbekannte Junge Harka doch bemerkt und wollte ihn, scheinbar schlafend, anlocken, um dann überraschend aufzuspringen und anzugreifen. Harka mußte sich vorsehen. Als beste Vorsicht aber erschien ihm der Angriff. Er wollte schnell handeln. Wie eine Wildkatze sprang er mit einem großen Satz auf den Rücken des anderen, packte ihn mit der Linken an der Gurgel und hob mit der Rechten das Messer zum Stoß.
»Wer bist du? Sag’s!«
Als
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