Harka der Sohn des Haeuptlings
wieder einen Tag. Die Tänzer und die Späher und die Frauen und die Kinder wurden immer hungriger, und die Frauen fingen Hunde aus der Meute weg, um sie zu schlachten. Fleisch gemästeter Hunde galt als Leckerbissen bei den Dakota, aber jetzt war kein Hund gemästet, sie waren alle mager und zäh. Die Hundemeute wurde auch mißtrauisch, und viele liefen weg, um in der Prärie allein auf Beute zu gehen und lieber nicht für die Brocken, die sie bei den Zelten erhielten, noch das Leben zu riskieren.
»Guter Geist, gib uns Büffel, Büffel, Büffel
Büffel, Büffel, Büffel gib uns, guter Geist!«
Als der Gesang der Tänzer den fünften Tag auf dem Dorfplatz erklang und die Zelte davon voll waren, die Mägen aber nichts als zähes Hundefleisch verdauten, und die Hunde, soweit sie noch am Leben waren, fast alle das Weite gesucht hatten, da schauten die Zeltbewohner trübe in den hereinbrechenden Abend und über die schmutzigen Fluten des Flusses, aus dem die Kinder mit ihren Angeln wenigstens immer noch täglich einige Fische holten.
Von nirgendher meldeten die Späher die sehnlich erwarteten Herden; der Gesang und der Tanz von vielen Tagen und Nächten hatte noch nichts genutzt, aber viele Kräfte gekostet. Hawandschita, der Zaubermann, ließ sich nicht mehr vor den Männern blicken. Er hockte in seinem geschlossenen Zelt und sprach mit den Geistern!
Was war zu tun? Sogar die Jungen Hunde berieten untereinander. Im Winter grasten die Büffel im Süden, im Frühling zogen sie wieder nordwärts. Sie mußten kommen, sie waren doch alle Jahre gekommen! Aber sie kamen nicht. Nach Süden waren sie gezogen, das stand fest. Alle erinnerten sich an die große Herbstjagd, die der Bärenbande Beute genug gebracht hatte. Aber nun war der Winter vorüber, das Fleisch war aufgegessen, und die Büffel kehrten nicht zurück. Auch die Pani warteten auf die Büffel, aber die Herden kamen nicht.
»Guter Geist, gib uns Büffel …«
Wir müssen sonst verhungern, dachte jeder. Aber das sang keiner. Den Büffeln weiter nach Süden entgegenzuziehen, erschien als Selbstmord. Denn südlich war das Kriegslager der Pani aufgeschlagen, und auch sie sangen:
»… gib uns Büffel, Büffel …«
Harka sah wohl, daß der Vater nicht nur magerer wurde wie alle anderen, er wurde ernster, noch wortkarger als sonst und endlich ganz finster. Kaum gönnte er sich noch Ruhe. Immer wieder ließ er sich einreihen in den Tanz, um als Anführer, als Erster, als Größter, als der Träger der Büffelhaube mit Hörnern und weißem Hermelinfell, um als der beste und erfolgreichste Jäger des Dorfes vor allen anderen mit seiner starken Stimme den Ruf zum großen Geist zu erheben: »… gib uns Büffel, Büffel, Büffel …«
Aber die Büffel kamen nicht.
Was die Mitglieder der Bärenbande noch an Vorräten besaßen, wurde streng eingeteilt. Von früh bis spät waren jetzt die Kinder mit den Angeln unterwegs, flußaufwärts, flußabwärts, um wenigstens Fische in die Zelte zu bringen. Wenn die Büffel nicht bald kamen, mußte irgend etwas Verzweifeltes unternommen werden. Oft, wenn Harka mit seiner Angel schweigend am Ufer oder halb im Wasser stand, schaute er westwärts nach den Bergen. Dort mußte es Wälder und in den Wäldern mußte es Wild geben.
Vielleicht wurde es notwendig, flußaufwärts zu den Bergen zu ziehen, die keiner kannte und in denen auch fremde und feindliche Stämme wohnen mochten wie in den südlichen Prärien. Aber wenn man zu Bergen und Wäldern ziehen wollte, hätte man auch in den Black Hills bleiben können, und das kleine Wild reichte für eine Jägergruppe auf die Dauer nie aus.
»Büffel, Büffel, Büffel …«
An einem dieser Tage lag Harka auf einer flachen Kuppe im Gras versteckt, ließ die Insekten um sich surren, ohne sie wahrzunehmen, und spähte mit der gleichen scharfen Anspannung, die alle in Bann hielt, nach Süden. Er wartete darauf, daß sein Freund Tschetan vom Kundschaftergang zurückkehrte. Es war sonst nicht üblich, daß junge Burschen, die noch nicht in die Reihen der Krieger aufgenommen waren, als Späher gegen den Feind geschickt wurden. Aber es gab zuwenig Männer im Dorf, und so mußten die Burschen frühzeitig gefährliche Aufgaben übernehmen. Harka schloß sich in den Tagen der Not immer enger an den größeren Freund an, der für ihn Vorbild und zugleich die sicherste Nachrichtenquelle war.
Die Sonne sank. Das Büffellied klang ohne Ende über das kahle,
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