Harlekins Mond
Unterrichtswalds unter sich, als sie hoch hinaufflog und sich von einem warmen Wind über die Wiesen zu der Linie von geschwärztem Gras und Erde tragen ließ, die durch die Landung der Wasserträger entstanden war. Apollo stand dicht über dem Horizont und sorgte dafür, dass sie einen langen schmalen Schatten warf. Der Schatten des beschädigten Schiffes fiel dräuend über die Wiesen, stachlig von den ausgefahrenen Masten und Andockauslegern.
Rachel landete in ein paar Metern Entfernung von der Furche, die durch den Absturz der Wasserträger entstanden war. Als sie ihre Armschwingen losschnallte, hörte sie Andrews Stimme hinter sich. »Also bist du schließlich doch noch gekommen.«
Rachel fuhr erschrocken zusammen. »Vielleicht bin ich j a nur hergekommen, um mir das Schiff anzusehen. Wieso bist du hier?«
Sie setzte sich in Bewegung, und er ging neben ihr her, schüttelte spöttisch den Kopf und machte sich über sie lustig. »Du sagst uns doch immer, wir sollen lernen, so viel wir können. Das Schiff mag tot sein, aber ich kann hineinkommen – ein Außenschott hat sich verzogen und steht offen. Ich lerne.«
Dass Andrew seine Zelte im Innern der Wasserträger aufgeschlagen hatte, trug nur noch mehr zu ihrem Ärger bei. »Ich höre ständig, dass du Leute gegen den Rat aufwiegelst. Jacob und Justin haben mir allerlei Fragen gestellt, die ihnen irgendjemand eingeflüstert hat. Seit Gabriel damals angefangen hat, mich zu unterrichten, habe ich darauf hingearbeitet, alle an einen Tisch zu bringen. Jeden von uns. Nicht nur die Mondgeborenen, nicht einmal nur Mondgeborene und Räte, sondern wirklich jeden Menschen auf diesem Mond!« Rachel merkte, dass sie sehr laut geworden war. Sie senkte die Stimme und trat zurück unter das Schiff. Zwar wachten Astronaut und Treesa über sie, aber darum sie musste ihnen ihre Arbeit ja nicht noch zusätzlich erschweren. »Andrew! Wir können den Rat nicht bekämpfen. Nicht einmal du und deine ganzen Freunde können es.«
Andrew begegnete ihren aufgebrachten Worten überraschend ruhig. »Rachel, ich lege nur das Fundament für Taktiken, die du übernehmen musst. Du hast deine eigenen Stärken und besitzt deine eigene Macht.«
Was er sagte, klang so vernünftig, dass Rachel ihre Schritte verlangsamte. Sie blieb stehen, um ihre Schwingen abzulegen. »Wer sagt, dass ich deine Taktiken übernehmen will? Wer sagt, dass ich Macht will?«
»Rachel, du besitzt bereits Macht. Es spielt keine Rolle, ob du sie willst oder nicht. Die Leute wollen dir folgen. Ich weiß, was du tust. Ich unterstütze dich sogar, mehr als dir vermutlich bewusst ist. Aber was geschieht, wenn deine Methode nicht funktioniert?«
Es war schwer, ihren Ärger über ihn aufrechtzuerhalten, wenn er so ruhig blieb. »Sie muss funktionieren! Es gibt keinen anderen Weg.«
Andrews Antwort bestand darin, dass er sich umwandte und weiter unter das Schiff ging. Rachel folgte ihm. Die Wasserträger hatte etwa fünf Grad Schlagseite, und Andrew hatte eine behelfsmäßige Leiter gebaut und sie unter der am leichtesten erreichbaren Schleuse an den Schiffsrumpf gelehnt. Er stieg hinauf und winkte Rachel, ihm zu folgen. Sein Gesicht lag im Schatten, und sie konnte den Ausdruck darauf nicht erkennen.
»Astronaut«, flüsterte Rachel, »ist es sicher?« Sie fühlte sich unbehaglich bei der Vorstellung, die Wasserträger zu betreten und sich uneingeladen auf einem Schiff des Rates aufzuhalten.
Astronaut erwiderte: »Es gibt keinen Befehl, der einen Aufenthalt im Innern untersagt.«
»Danke«, sendete Rachel zurück und folgte Andrew ins Schiff.
Hinter der Schleuse lag ein kurzer zylindrischer Korridor, in dem Licht brannte. Rachel blinzelte, überrascht über die Beleuchtung. Bevor sie Andrew danach fragen konnte, sprach er weiter. »Sieh mal, Rachel, ich hoffe, dein Plan funktioniert. Ich wünschte, ich wäre derjenige gewesen, den sie mitgenommen hätten; derjenige, dem sie Einblick in ihre Lebensweise gewährt hätten; der, dem sie vertraut hätten. Aber wenn ich einmal sauer auf dich war, dann hatte ich 20 Jahre Zeit, um darüber hinwegzukommen – du hast einfach nur das Richtige getan. Und vielleicht tust du immer noch das Richtige.« Der Gang hatte eine leichte Schräglage, und Rachel fühlte sich aus dem Gleichgewicht gebracht, da sich der Winkel der Handgriffe, die in Abständen von etwa einem halben Meter an Wänden und Boden angebracht waren, ebenfalls entsprechend verschoben hatte. Andrew fuhr fort: »Aber
Weitere Kostenlose Bücher