Harlekins Mond
ungünstig sein, wenn gerade ich mich für irgendeines unserer Ziele einsetze.«
Gloria schaute verwirrt drein, und Rachel erklärte: »Die Mitglieder des Rates denken nicht alle gleich. Sie sind wie wir -manchmal sind sie untereinander uneins. Eine Frau aus dem Hohen Rat – den Leuten, die die Entscheidungen treffen – mag mich nicht. Ma Liren. Du siehst also, manchmal bin ich vielleicht nicht die Geeignetste, wenn es darum geht, solche Vorschläge zu machen.«
Gloria runzelte die Stirn. »Ich dachte, jeder mag dich!?«
Dylan kam zur Tür hereingestürzt, die Arme voller Blumen. Um so viele zu finden, musste er den gesamten Wald abgesucht haben. Er reichte Beth eine weiße Orchidee und drückte den Rest Rachel in die Arme.
Rachel vergrub ihr Gesicht in den bunten Blüten und atmete die starken süßen Düfte ein.
»Danke, dass du meine Schwester nach Hause gebracht hast«, sagte Dylan.
»Der Rat hat sie heimgeschickt«, erwiderte Rachel.
Dylan knurrte nur und verschränkte die Arme.
»Entschuldige – danke für die Blumen. Du hättest nicht so viele pflücken sollen! Aber im Ernst, ich habe nichts weiter getan, als mit ihr hinaufzugehen. Ich weiß, wie angsteinflößend die John Glenn sein kann, bis man sich an die Gegebenheiten dort gewöhnt hat. Das ist alles.«
»Das kann eh keiner von uns beurteilen.«
Dylan hatte recht, aber es gab keine Möglichkeit, ihre Worte weniger anmaßend klingen zu lassen. Es war nicht ihre Schuld, dass sie andere Erfahrungen gemacht hatte als die übrigen Mondgeborenen.
»Hier, Gloria«, sagte sie, »hast du irgendetwas, das groß genug ist, um all diese Blumen hineinzustellen? Ich kann ein paar hierlassen, und ich werde welche mit nach Hause zu Frank und den Kindern nehmen.«
Dylan warf ihr einen verletzten Blick zu, darum fügte sie hinzu: »Eine werde ich auf jeden Fall mitnehmen, wenn ich morgen nach Camp Clarke aufbreche.«
Dylan belohnte sie mit einem Lächeln.
Eigentlich war es nicht erwünscht, dass jemand Blumen pflückte – jedenfalls nicht solche Riesenmengen. Dylan setzte sich oft im Kleinen über die Anordnungen der Obrigkeit hinweg. Rachel liebte das an ihm, und die Blumen waren tatsächlich wunderschön. Sie brachte es nicht über sich, ihn daran zu erinnern, wie kahl der Urwald nach dem Feuer ohnehin schon war.
KAPITEL 48
IM INNERN DER WASSERTR ÄGER
An diesem Nachmittag entfloh Rachel der Geschäftigkeit Aldrins und ging allein zum Wald. Sie schlug den direkten Weg zu ihrer Parzelle ein. Die Vorstellung, dass ihre und Ursulas Pflanzen vielleicht verwildern würden, betrübte sie. Die obersten Blätter waren vom Regen saubergewaschen worden. Rachel wischte Klumpen von feuchtem Ruß von den unteren Blättern ab, damit sie wieder atmen konnten. Kleinere Pflanzen waren unter der Asche erstickt.
Rachel verbrachte drei Stunden damit, in beiden Parzellen die Spuren des Waldbrands zu beseitigen. Sie machte sich die Hände schmutzig, und durch das Arbeiten in der Asche stieg erneut Brandgeruch auf. Wenigstens war die Asche gut für den Boden.
Während sie arbeitete, regte sich Rachel über die Unterhaltungen auf, die sie an diesem Tag geführt hatte. Vor langer Zeit hatte sie einmal eine Anführerin sein wollen, damals nach der ersten Prüfung bei Gabriel und Ali. Jetzt war sie eine Anführerin, oder zumindest hielt sie jeder dafür. Sie zitterte. Es war nicht lustig.
Was erwarteten die Leute von ihr? Treesa, Astronaut, Andrew, Dylan, Gloria, Harry – alle wollten sie auf eine andere Weise sehen, für jeden sollte sie eine andere Funktion übernehmen. Und worauf war Andrew überhaupt aus? Rachel hatte ihn nicht direkt bekämpft, sondern einfach versucht, ihre eigene Vorstellung von den richtigen Entscheidungen für die Mondgeborenen an den Mann zu bringen. Hauptsächlich aus Gerüchten hatte sie erfahren, dass Andrew seine eigenen informellen Versammlungen abhielt, die er als Sportveranstaltungen tarnte. Schon lange vor dem Feuer hatten Andrew und einige von Selenes jungen Männern und Frauen Diskusfangen gespielt und Flugwettkämpfe veranstaltet, die sie als Tarnung für Gespräche benutzten, über die Rachel wenig in Erfahrung bringen konnte. Sie war einer Konfrontation mit ihm aus dem Weg gegangen, doch tief in ihrem Innern wusste sie, dass es an der Zeit dafür war.
Sie suchte Dylan auf und war nicht überrascht, dass er wusste, wo Andrew anzutreffen war. Die Antwort gefiel ihr nicht im Geringsten.
Sie sah das Schachbrettmuster des
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