Harlekins Mond
Norden. Gandhi in Indien hat gewonnen, aber er hat auf Gewalt verzichtet. Du wirst nur erreichen, dass du andere in Schwierigkeiten bringst. Dass du dich selbst in Schwierigkeiten bringst. Schau dich doch nur mal um. Schau dir dieses Schiff an. Leute vom Rat haben das gebaut. Sie haben es benutzt, um mit seiner Hilfe Selene zu erschaffen, und später dann, um sie mit seiner Hilfe zu retten. Wir sind nicht einmal ansatzweise imstande, etwas wie das hier zu bauen, und das werden wir auch nie sein, wenn wir den Rat nicht überzeugen, uns mehr beizubringen. Wir müssen glaubhaft und vertrauenswürdig sein. Eine Konfrontation kann nicht funktionieren.«
»Das kommt darauf an, was du damit erreichen willst. Sie könnte beispielsweise Aufmerksamkeit erregen. Und ich bin nicht wie du, Rachel; ich bekomme keine bevorzugte Behandlung. Kein Ratsangehöriger hat mich je besonders gut behandelt. Nicht ein einziger. Ich bin wütend auf sie. Und eigentlich solltest du ebenfalls wütend auf sie sein. Für wen halten die sich eigentlich, dass sie uns vorschreiben wollen, was wir zu tun haben und gleichzeitig ihr Wissen vor uns geheim halten?« Er funkelte sie an. »Oder zumindest vor den meisten von uns.«
»Ich dachte, du seist nicht wütend auf mich.«
»Bin ich auch nicht. Vielleicht ein bisschen neidisch.« Er verschränkte die Hände im Schoß und seufzte. »Wir versuchen, dasselbe Problem zu lösen. Ich möchte, dass du mir dabei hilfst – dass du mir über die Räte erzählst, so viel du kannst.«
Rachel schüttelte den Kopf. »Ich erzähle meinen Klassen eine Menge. Du kannst kommen – ich werde dich nicht rauswerfen.«
»Du brauchst mich.«
Rachel schluckte und setzte sich. »Inwiefern?«
»Weil du, wenn sie nicht auf dich hören – falls sie es nicht tun – andere Optionen brauchen wirst.«
»Welche Optionen?«
Andrew schüttelte den Kopf. »Tut mir leid.«
Er würde nicht nachgeben. Wahrscheinlich hatte er gar keinen Plan. »Es wird uns nicht helfen, wenn sie fortgehen. Andrew, bitte versprich mir einfach nur, dass du nichts unternimmst, was sie wütend machen würde. Du wirst immer noch für etwas bestraft, das vor langer Zeit passiert ist. Vielleicht nicht mehr im gleichen Maße wie früher – du arbeitest inzwischen wie alle Übrigen, aber dein Name ist nach wie vor mit einem negativen Vorzeichen versehen. Das Gefängnis ist immer noch da. Liren wird nicht zögern, dich dort hineinzustecken.«
»Liren?«
Er hatte wirklich gar keine Ahnung. »Andrew, tu einfach nichts, was dich in Schwierigkeiten bringen könnte.«
»Wer ist Liren?«, beharrte er.
»Eine Frau aus dem Hohen Rat, die vermutlich hinter dem größten Teil der Dinge steckt, die dir nicht gefallen.«
»Ist sie eine Freundin von dir, wie der teure Gabriel und die süße Ali?«
»Nein. Andrew – sie werden dich töten oder dich von hier fortbringen oder etwas Ähnliches.«
»Du hast mich nicht davon überzeugt, dass der Rat nicht einfach wegfliegen und uns hier zurücklassen wird. Ich glaube nicht einmal, dass du selbst etwas anderes glaubst.«
Rachel schwieg längere Zeit. »Du hast recht. Ich bin davon nicht überzeugt. Aber während des Feuers – da haben wir eine Rolle gespielt. Da haben sie uns gebraucht. Und wir werden andere Chancen bekommen, unseren Wert für sie unter Beweis zu stellen.« Sie sah ihm in die Augen. »Und ja, ich habe Angst, sie werden fortgehen. Ich bin sicher, dass sie das wollen. Aber ich bin auch fest davon überzeugt, dass wir sie nicht direkt bekämpfen können. Wir müssen andere Wege finden. Ich werde dir was sagen – wenn du dich bereit erklärst, von irgendwelchen Gewaltaktionen Abstand zu nehmen und damit aufhörst, die Leute wütend auf die Räte zu machen, dann erkläre ich mich damit einverstanden, dir nicht in die Quere zu kommen. Wenn ich mich mit dir auseinandersetzen will, dann können wir das unter vier Augen tun, wie hier.« Er würde verstehen, dass sie dafür eine Gegenleistung erwartete. »Aber ich werde keine destruktiven Aktionen gutheißen, und ich werde die Regeln des Rates nicht brechen. Ich helfe dabei, Selene aufzubauen und weiterzuentwickeln, und ich werde dir nicht dabei helfen, sie zu zerstören.«
»Ich bin damit einverstanden, nichts Offensives zu unternehmen, ohne dich vorher zu informieren, solange du mich im Gegenzug nicht denunzierst. Du schützt meine Pläne, und ich werde deine schützen. Vielleicht kommt einmal der Tag, an dem wir uns gegenseitig brauchen.«
Rachel
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