Harlekins Mond

Titel: Harlekins Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brenda Cooper Larry Niven

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ihres Vaters. Er hatte sie ermutigt, die Räte in Frage zu stellen. Sie vertraute ihnen – zumindest Treesa und Ali –, aber sie setzten ihre Heimat aufs Spiel. Sie waren äußerst empfindlich, wenn es darum ging, welche Technologien sie zuließen und welche nicht, und niemand schien sich vor Antimaterie zu fürchten. Doch eine faustgroße Menge Antimaterie würde Camp Clarke zerstören. Wieso hatte Bruce gelacht?
    Die Rechnung war sehr simpel. Materie + Antimaterie = Energie. Energie in Erg war Masse in Gramm mal die Geschwindigkeit des Lichts zum Quadrat – eine ungeheure Zahl, die sich noch verdoppelte, weil eine entsprechend große Menge an Materie ebenfalls verschwand. Die Rechnung war, wie gesagt, simpel; die Schwierigkeit lag darin, sich die Ergebnisse glaubhaft vor Augen zu führen.
    Rachel stellte sich Selenes Erdkruste vor, wie sie vom Kern abgeschält wurde, sah Bäume und Urwald und Menschen in einer explosiven Energieentladung davonfliegen.
    Der Rat nutzte Antimaterie auf regelmäßiger Basis, und sah den Umgang mit ihr offenbar als sicher an.
    Doch die Zahlen …
    Wenn sie eine erstklassige große Anti-Wassermelone – einen melonengroßen Klumpen Antimaterie von etwa zehn Kilogramm – auf Camp Clarke fallen ließe, dann wäre es mit Camp Clarke vorbei-oh ja, allerdings! Zum Teufel mit Bruce! Mit der Selene wäre es vorbei – sie würde in Form von Staub und Stein und superheißem Plasma über das gesamte Mondesystem verteilt, und vermutlich noch darüber hinaus. Kein Wunder, dass Bruce sich ein Lachen verbissen hatte. Wenn man nun die Antimaterie auf einem anderen Mond erzeugte … Sie probierte es mit Eris, einem exzentrisch taumelnden Mond, weit entfernt von Harlekin, kleiner als Selene, aber massiv … und ließe dort den gleichen Zehn-Kilogramm-Batzen fallen. Die Berechnungen zeigten ihr Strahlung und Meteoriten Von der Explosion – vermutlich genug, um jede Form von Leben auf Selene auszulöschen.
    Nur konnte man mit zehn Kilogramm die John Glenn nicht zum Ymir fliegen. Man brauchte dazu zwölfhundert Kilogramm!
    Rachel hatte die ganze Zeit über Zugang zu diesen Zahlen gehabt, über Astronaut ebenso wie über die Bibliothek. Sie hatte nur nicht gewusst, wonach sie suchen sollte.

KAPITEL 56
    MITTWINTER IN CAMP CLARKE

    Drei Wochen später hatte Shane Rachel noch nicht zu einer neuen Arbeit eingeteilt. Sie hatte sich inzwischen angewöhnt, verstohlen über die Schulter nach ihm Ausschau zu halten und verabscheute dieses Gefühl. Die Mittwinterwoche brach an, und Rachel stellte zu ihrer Bestürzung fest, dass die Mondkinder nur einen Tag freibekommen hatten, um ihren eigenen Projekten nachzugehen. Während der nächsten drei Tage schickten die Räte sie als große Gruppe an die Arbeit, um Gebäude und Straßen des Stützpunkts zu reinigen. Das galt allerdings nicht für die Mannschaften, die an dem Teilchenbeschleuniger arbeiteten; diese hatten überhaupt keine Freistellung von ihren üblichen Dienstpflichten erhalten.
    Auch die Mittwinternacht selbst verlief anders als früher. Es war ihnen nicht erlaubt, sich zu einer großen Gruppe zusammenzufinden. Für die kleinen Kinder, die heranwachsenden Mondgeborenen wie Rachel und Beth sowie für die Erdgeborenen waren separate Bereiche eingerichtet worden. Ganz so einfach funktionierte es natürlich nicht; es gab Wanderbewegungen in verschiedene Richtungen, wenn sich Eltern aus den Kinderbereichen in die beiden Erwachsenenbereiche hinüberbegaben oder gemischteheliche Paare unbeschwert hin- und herwechselten. Überall patrouillierten Ratsmitglieder und hielten ein Auge auf das Geschehen.
    Die erwachsenen Mondgeborenen versammelten sich in einem geräumten Bereich, der von vier Gewächshäusern eingegrenzt wurde. Die Lampen waren weiß, rein funktional und viel zu hell. Dennoch hatten sich manche Leute wirklich Mühe gemacht. Consuelo hatte einige der anderen Köche zu Sonderdienst verdonnert, um dünne Fruchtplätzchen mit seltenem, von der John Glenn importiertem Zucker zu backen, und auf den langen Tischen standen neben den üblichen Bananen sogar Teller mit Schokolade. Drei uniformierte Ratsleute führten aus einer Ecke heraus Aufsicht und beschützten einen winzigen Kasten, aus dem Musik ertönte.
    Rachel, Beth, die Zwillinge, Dylan und Kyle saßen an einem Tisch, der so weit von der Ratsecke entfernt war, wie es nur eben ging. Kyle und die Zwillinge arbeiteten in der Bauteilefabrik in derselben Gruppe, und Beth und Kyle flirteten so