Harlekins Mond
… ein paar Hundert davon warm verbracht, neben ihren, wie viel, 25? Vor langer Zeit, auf der Erde, hatte man dieses Alter einmal als die besten Jahre im Leben angesehen.
»Sie könnten den Bau des Teilchenbeschleunigers forcieren«, stellte er fest.
Sie zuckte die Achseln.
Gabriel sagte: »Ich denke, ich bin auf deiner Seite. Wir können nicht riskieren, auf Selene Antimaterie zu erzeugen. Das wäre … unelegant. Schließlich sind wir möglicherweise alles, was von der menschlichen Rasse noch übrig ist – hier auf Selene und auf der John Glenn. Aber es wird schwierig werden, die anderen zu überzeugen, und Liren könnte uns immer noch Steine in den Weg legen, und … ich habe einfach keine Ahnung, wo man die Antimaterie unterbringen könnte.«
Die Ratshöhen waren natürlich unversehrt. Geomagnetische Stürme konnten dem Plastikbeton nichts anhaben. Als sie sich der Anlage näherten, wurde ihm bewusst, wie sehr ihm die Bauweise gefiel; alles bestand aus Bögen, Kugeln und Kurven, und überall gab es Fenster. Die Ratshöhen kauerten wie ein weiches Gebilde auf dem harten Rand eines Kraters, und das auf einer unmöglichen Welt.
»Hier bin ich noch nie gewesen«, sagte Rachel.
Gabriel wandte sich ihr zu, nahm ihren schlanken Körper in die Arme und drückte sie an sich. Sie hätte längst einmal hiergewesen sein sollen. »Ich werde dich herumführen und dir alles zeigen. Wir können hierbleiben, während wir uns überlegen, was als Nächstes zu tun ist.« Ihr Haar roch nach Staub; nach Selene. Gabriel wurde bewusst, dass er Rachel sehr gerne küssen würde. Er wies diesen Impuls von sich. Erst einmal würde er ihr Gelegenheit geben, in Ruhe innerlich zu heilen.
KAPITEL 74
EINE PREDIGTAUF DEM BERGE
Treesa und Rachel saßen auf der niedrigen Mauer neben dem Weg, der hinunter zur Anlegestelle führte. Rachel sah zu, wie sich der Abendhimmel mehr und mehr verdunkelte. Sie hatte eine virtuelle Besprechung, die die anderen mit Erika, Rieh und Cläre geführt hatten, glatt verschlafen.
Es war noch hell genug, dass Rachel die Ruhe auf Treesas Zügen sehen konnte. »Sie haben nicht verlauten lassen, was sie mit Justin und den anderen vorhaben?«, fragte sie.
Treesa schüttelte den Kopf, schaute in den dunkler werdenden Himmel. »Noch nicht. John hat bei den Hohen Räten dafür plädiert, dass morgen früh eine Konferenz stattfindet; er hat gesagt, es sei notwendig, dich anzuhören.« Treesa seufzte. »Es war schwer. Sie sind es gewohnt, sämtliche Entscheidungen selbst zu treffen. Ich glaube, was letztlich den Ausschlag gegeben hat, war, dass sie auch gewohnt sind, John zu folgen – er ist so lange ihr Captain gewesen. Erika ist willensstark, aber sie ist noch immer neu auf dem Kommandoposten, Cläre war immer gemäßigt, und Rieh ist es nicht gewohnt, Entscheidungen zu treffen. Ich glaube, Liren hat sich in einem gewissen Maße selbst diskreditiert, als sie hier heruntergekommen ist. Sie war nicht auf der Sitzung, und keiner hat sie erwähnt. Wir haben uns dafür eingesetzt, dass man dich anhört, und zu diesem Zweck ist morgen Zeit anberaumt worden. Du repräsentierst die Mondgeborenen. Es tut mir leid, dass jetzt so vieles auf einmal an dir hängen bleibt, aber was du zu sagen hast, wird von Bedeutung sein.«
Rachels Absätze schrammten unter ihr gegen die Mauer, und ihre Finger umklammerten die Mauerkrone. »Was soll ich sagen?«
»Das liegt bei dir. Ich kann dich darin nicht beraten, und genauso wenig kann das, glaube ich, irgendein anderer von uns. Ich möchte nur so viel sagen: Es geht hier um eine größere Angelegenheit als beispielsweise um das Schicksal von Justin.«
»Was haben sie in Bezug auf Untertan gesagt?«
Treesa schaute hinaus über die dunkle Schale des Meeres der Zuflucht. »Sie sind zornig, und obwohl sie es nicht zeigen werden, haben sie Angst. Kyu nicht, glaube ich, und aus Rieh werde ich nicht schlau. Ich weiß nicht, welchen Rückhalt Liren nach dieser Geschichte noch genießt. Das verkompliziert die Sache.« Treesa schwieg kurz und runzelte die Stirn. »Aber das ist keine Antwort auf deine Frage. Ali und ich haben beide unsere Rolle bei der Erschaffung von Untertan eingestanden; dich haben wir dabei nicht erwähnt. Der Rat weiß, dass du mit beiden KIs kommunizieren kannst, und du wirst dich vielleicht entscheiden müssen, wie viel du über deinen Anteil an der anfänglichen Entscheidung preisgibst. Vielleicht wird es auch gar nicht zur Sprache kommen. Wir haben versucht,
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