Harlekins Mond
zwei felsigen Bereichen ebener, steiniger Boden. Die Wasserflecken, die den Höchststand der Flut markierten, waren so nahe, dass Rachel ihren unteren Rand berühren konnte. Wir hätten wirklich ertrinken können, dachte sie.
»Von mir aus sicher«, sagte sie.
»Das Flugzeug steht oberhalb von uns.« Gabriel deutete in die entsprechende Richtung. »Harry kann dich hinbringen. Ich möchte etwas Zeit gutmachen, indem ich mit Gloria vorauslaufe und sie zu der Kältepackung im Flugzeug schaffe.«
»Klar.« Rachel nickte; gleichzeitig wurde ihr bewusst, dass sie Harrys Hand hielt. Wie war denn das passiert? Oh – als er ihr einen Moment zuvor hochgeholfen hatte … er hatte nicht losgelassen. Seine Hand war stärker, als sie gedacht hatte, sie bot Schutz und Trost. Sie zog sie weg und grinste Harry an. »Du machst dir noch die Hand blutig.«
Harry zuckte mit den Schultern und lächelte.
Gabriel und Gloria ließen sie rasch hinter sich zurück. Als Rachel und Harry den oberen Rand des Geröllfelds erreicht hatten, schmerzte ihr geprelltes Bein, ihre Arme waren müde und es stach ihr in den Handflächen. Schweiß tropfte und kitzelte und juckte.
»Du brauchst eine Pause«, sagte Harry. »Dreh dich mal um und schau dir das Wasser an.«
Sie starrte hinaus durch den Krater. Dank der Anziehungskraft des Gasriesen stand das Meer jetzt hoch, und die Wellen an den Rändern hatten Schaumkronen. Harlekin schwebte über ihnen, und sein Spiegelbild zitterte auf dem bewegten Wasser. Rachel konnte inzwischen nicht einmal mehr die Spalte sehen, in die sie und Gloria gefallen waren.
»Gabriel war wirklich nicht froh über diesen ungeplanten Wasserlauf«, sagte Harry.
»Nun, er gehört da nicht hin.«
»Ich glaube, Gabriel würde am liebsten alles kontrollieren.«
»Es ist, als würde Selene ein Eigenleben entwickeln.« Ihr zitterten die Hände. »Oh, Harry, ich hätte Gloria beinahe umgebracht. Ich kann gar nicht glauben, dass ich es nicht gesehen oder gehört habe. Ist Gabriel sauer auf mich?«
»Hat er nicht gesagt. Ich bin froh, dass dir nichts passiert ist«, sagte Harry.
»Ich auch. Es hätte anders ausgehen können, wenn ihr nicht gekommen wäret.«
»Ihr hättet es trotzdem geschafft.«
»Ich konnte Gloria dieses letzte Stück nicht hinauftragen.«
»Ist schon okay. Wir waren ja da.«
Harry hatte den Arm um sie gelegt, und sie spürte ihn an ihrer Seite. Rachel lehnte sich gegen ihn, dankbar und todmüde. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Das schien ihr in letzter Zeit andauernd zu passieren – wenn sie in seiner Nähe war, fand sie nicht die richtigen Worte.
Er schien nicht darauf angewiesen zu sein, dass sie irgendetwas sagte. Er lehnte sich zu ihr herüber und küsste sie geradewegs auf den Mund. Seine Lippen waren salzig vor Schweiß und feuchter, als sie erwartet hatte. Sie zog sich ein wenig zurück, blieb weiterhin in seinem Arm, hielt jedoch Abstand zu seinem Gesicht.
»Hey, magst du mich nicht?«, fragte er.
Sie hatte ein warmes Gefühl im Bauch und war nicht mehr besonders schläfrig, nur ein wenig bange. Ihr Herz schlug schnell. Sie lehnte sich gegen ihn und erwiderte flüchtig seinen Kuss. »Doch, ich mag dich«, sagte sie. »Und das war nett.« Sie stand auf, ergriff seine Hand und zog ihn weiter. Sein Widerstreben war ihm anzusehen, doch sie war noch nicht bereit für einen erneuten Kuss. »Lass uns gehen – ich möchte nach Gloria sehen.«
»Ich bin sicher, der geht es gut«, knurrte Harry, doch er begnügte sich damit, Rachel auf der anderen Seite der Felsen hinunterzuhelfen. Der Rest der Gruppe war nun in Sichtweite, und Harry versuchte nicht, sie erneut zu küssen.
Sie teilten ein kurzes heimliches Grinsen miteinander, bevor sie sich an das letzte, ebene Stück des Weges machten.
KAPITEL 9
DER BEOBACHTER
Astronaut lebte in Ketten aus Informationen überall auf der John Glenn. Seine Sinne erstreckten sich durch die Luft, sie bewegten sich auf Datenwellen, die durch den gesamten Kontrollraum strömten, in den Ansammlungen winziger Stückchen von Display-Nano, die die Wände in Korridoren bedeckten, in Fäden von Laserlicht, in den schweigenden Raumfahrzeugen, die wie Colliers die Außenseite des großen Trägerschiffes schmückten. Und während das Schiff antriebslos an Ort und Stelle verharrte, beobachtete Astronaut und zeichnete auf und wunderte sich und wartete.
Astronauts Daseinszweck war das Fliegen. Während sich das Fernraumschiff in einem passiven Orbit befand, hatte
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