Harlekins Mond
Erfolg einer Ansiedlung von Leben auf Selene. Der Rat und ich kontrollieren hier alle Variablen. Auf Selene sind die Umweltbedingungen weitaus weniger berechenbar.«
»Sollte hier etwas schiefgehen, würden wir es als Warnung werten. Wie ist die Situation auf Selene?«
Astronaut ließ um Treesa herum Fenster entstehen. Drei Kameraperspektiven bewegten sich in raschem Schritttempo durch einen manikürten Wald, eine Wiese und einen Garten. »Das Leben fasst Fuß«, sagte Astronaut. »Selenes Kinder lernen, wie man für eine Welt sorgt, aber es gibt auch Gefahren, die sich ihnen noch nicht gezeigt haben. Die Wahrscheinlichkeit spricht dafür, dass die gegenwärtigen günstigen Umstände nicht von Dauer sein werden. Auf Selene besteht nach wie vor die Tendenz zu Erdbeben, und Apollos Eruptionen sind unvorhersehbar.«
Treesa nickte, während sie sich an dem Anblick des Grüns in den Datenfenstern erfreute. Sekunden vergingen; dann fragte sie übergangslos: »Was wäre auf Ymir aus dir geworden, wenn die Reise verlaufen wäre wie geplant?«
Die Frage bereitete Astronaut Unbehagen. »Wie auch hier hätte ich meine Anweisungen so kreativ befolgt, wie es mir gestattet gewesen wäre.«
»Mir ist bloß der Gedanke gekommen, dass dort weniger Bedarf an einem Astronaut-Programm bestehen wird, wenn Ymir erst einmal gefunden und terraformiert ist.«
»Schiffe werden auch weiterhin benötigt werden. Die Menschheit beschränkt sich nicht länger auf einen einzelnen Planeten.«
Und dennoch war es mehr als wahrscheinlich, dass die Besatzung der John Glenn Astronaut löschen oder seine höheren Funktionen beschneiden würde. Eine Todesangst vor Künstlichen Intelligenzen hatte sie dazu getrieben, das Solsystem zu verlassen. Astronaut sprach es nicht aus. Treesa wusste es vermutlich ohnehin.
Treesa schien das Interesse an der Unterhaltung verloren zu haben. Sie jätete methodisch und summte dabei vor sich hin. Astronaut beobachtete sie weiter, während er anderen Interessen nachging.
KAPITEL 10
MITTWINTERWOCHE
In den ersten vier Tagen der Mittwinterwoche wurde zu Hause gearbeitet. Neben vielen Gemeinschaftsaufgaben half Rachel Ursulas Eltern beim Flicken ihres Zeltes; Ursula half Rachel, einen neuen Fußschemel für Rachels Dad anzufertigen. Am fünften Tag stellten sie den Schemel in den Wohnraum, vor Franks Lehnstuhl; dann setzten sie sich auf Rachels Bett und warteten darauf, dass er nach Hause kommen und sein Geschenk finden würde.
Rachel hörte, wie er hereinkam und schwer seufzte, dann hörte sie das Knarren seines Lehnstuhls, als er sich darin niederließ. »Rachel?«, rief er.
Sie spähte durch die offene Tür.
Er streckte die Arme aus. »Vielen Dank. Er ist toll!«
»Ursula hat mir dabei geholfen.« Die beiden Mädchen stürmten hinein, und Frank umarmte sie beide. Dann griff er in seine Tasche, und als er die Hand wieder hervorzog, hielt er darin ein aufwendig bearbeitetes kleines hölzernes Kästchen. In den Deckel war Rachels Name eingeschnitzt.
Rachel nahm es entgegen, erstaunt darüber, wie glatt es sich in ihren Händen anfühlte, und öffnete den Deckel. Im Innern fand sie einen kleinen geschnitzten Baum. »Das ist ja wunderschön«, rief sie aus und reichte Ursula das Kästchen, jedoch nicht den Baum. Der lange dünne Stamm und die weiten Äste waren wunderschön detailliert ausgearbeitet. »So wird mein Ameisenbaum eines Tages aussehen.«
»Ich weiß.« Ihr Vater lächelte.
»Es ist fast Zeit zu gehen«, erinnerte Rachel ihn.
Er lachte sanft. »Lass mich noch einen Augenblick ausruhen. Auf dem Fest wird es jede Menge zu essen geben. Lauft ihr Mädchen ruhig schon vor!«
Rachel gab ihm einen Kuss auf die Wange. Sie legte den Baum behutsam zurück in das Kästchen und deponierte es neben ihrem Kopfkissen. Ursula blieb ungeduldig im Türdurchgang stehen, während Rachel ihr bestes Hemd anzog; es war von einem tiefen Waldgrün und hatte einen spitzenbesetzten Knopfsaum.
Auf dem Rasenplatz, einer weiten freien Fläche zwischen den Zelten, wurde abends gewöhnlich Diskusfangen gespielt, während er tagsüber Müttern mit kleinen Kindern als inoffizieller Treffpunkt diente. Bevor sie mit der Schule begonnen hatte, bevor ihre Mutter fortgegangen war, war Rachel täglich hier gewesen.
In dieser einen Nacht im Jahr wurde der Platz zu einem offiziellen Zweck genutzt. Alle – Ratsangehörige, Mondgeborene und Erdgeborene – versammelten sich hier, um zu feiern. Die Mittwinternacht – sie feierten
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