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Harold - Einzlkind: Harold

Harold - Einzlkind: Harold

Titel: Harold - Einzlkind: Harold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Einzlkind
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an einem kleinen grünen Plastiktisch und trinkt durch einen Strohhalm aus einer Dose Cola. Dieser Jemand ist sehr klein. Es ist ... ein Junge. Harold versucht spontan wieder in Ohnmacht zu fallen, doch sein Immunsystem hat keine Lust.
    »Hallo Schwester Beatrice. Und, was sagt der Arzt?«
    »Keine Sorge, Melvin, dein Onkel kann uns morgen schon wieder verlassen. Deine Vermutung war übrigens unbegründet. Es war keine Fischvergiftung.«
    Onkel? Fischvergiftung? Für Harold war in den letzten Stunden die Welt nicht mehr sicher, Erkenntnisse nur noch Badeschaum, den man von den Fingern pustet und der sich in neue Zustände flüchtet, in Formen, Bilder und Gesichter, die für einen kurzen Moment ewig sind, bis sie wieder in sich zusammenfallen. Und eigentlich wartet er auf den Tag, an dem er um die Ecke biegt, hinter der auf einmal alle Menschen stehen, denen er jemals begegnet ist und die sagen: Törö, war alles nur ein Spiel. Das richtige Leben ist natürlich wunderbar und nicht die Hölle. Schwester Beatrice aber scheint dies nicht zu kümmern, sie zurbelt Harold in eine halb aufrechte Position und stopft ihm ein weiches Daunenkissen hinter den Rücken. Dann macht sie zwei Schritte auf Melvin zu, bückt sich hinunter und flüstert so leise, dass alle es hören können: »Dr. Pintgram glaubt, dass dein Onkel ein Drogenproblem hat.«
    »Oha.«
    Schwester Beatrice zupft an den Faltenwürfen ihres zu engen Kittels, sie hat zugenommen in den letzten Monaten, über zwölf Pfund, seit sie mit dem Modern Jazz aufgehört hat. Jamal, ihr Tanzlehrer, hat sich umorientiert, auf unter 30. Sie streift mit ihrer Hand gedankenverloren um das kleine Barthaar, das links neben ihrer Unterlippe wächst. Sie könnte es einfach abschneiden, aber sie hat sich schon daran gewöhnt und außerdem möchte sie wissen, wie lang es werden kann. Melvin ist ein guter Junge, der seinen Onkel bis ins Krankenhaus begleitet hat und keine Sekunde von ihm gewichen ist. Der Doktor musste ihm mehrmals erklären, dass er beim Magenauspumpen nicht dabei sein könne. Unter keinen Umständen. Auch nicht zu wissenschaftlichen Zwecken. Ein guter Junge. Dabei hat er es gar nicht verdient. Sein Onkel. Im Grunde wusste jeder, um was es geht, als er in diesem Aufzug hier reingefahren wurde. Man erkennt die Rauschgiftsüchtigen schon am äußeren Erscheinungsbild. Die fettigen Haare, die glasigen Augen und dann dieser hellblau-grau-violette Anzug mit dem cremefarbenen Hemd und den mintgrünen Elchen auf dem gelben Pullunder, das spricht doch für sich selbst. In den Siebzigern hängengeblieben und nie wieder von diesem Trip losgekommen. Es ist schlimm, wenn Kinder darunter leiden müssen, an der obsessiven Genusssucht der Erwachsenen, an dieser Schwäche, dieser Krankheit, dieser verantwortungslosen Egomanie.
    »Hab’ ein Auge auf ihn«, sagt Schwester Beatrice während sie Harold einen Blick zuwirft, der mindestens 200 Kilogramm Vorwürfe schwer ist. Als sie das Zimmer wieder verlässt, um ihr Talent an kleineren Injektionen und größeren Bettpfannen zu erproben, mustert Melvin Harold mit einem kritischen Blick.
    Was?
    »Während man Ihr Mageninneres in die Freiheit pumpte, habe ich mich mit Ihrem Zimmernachbarn, Mr. Koschinski, bekannt gemacht. Mr. Koschinski hat die Goldene Palme als Lichtdouble in einem Dokumentarfilm über südanatolische Bergbauern gewonnen. Leider hat Mr. Koschinski nur noch drei Wochen zu leben, Bauchspeicheldrüsenkrebs im Endstadium. Die malignen Tumore haben sein Pankreas in ein Minenfeld der Metastasen verwandelt. Wenn Sie also Freunde fürs Leben werden möchten, sollten Sie sich beeilen.«
    Harold versucht sein nebulöses Sehvermögen auf die Person gegenüber zu fokussieren und erkennt so etwas wie ein Lächeln in dem knochigen Gesicht, das in faltigen Furchen ganze Gebirgsketten nachzeichnet. Die Haut ist ein einziger Lappen, von der Erde angezogen, weshalb die unteren Augenlieder fast bis zur Nasenspitze reichen. Zwei Infusionsbeutel und ein Gerät mit vielen bunten Lämpchen haben ihn umstellt. Auf einem rollbaren Beischrank weilt eine Vase, in der eine Rose den Begriff der Müdigkeit kunstvoll in Szene setzt und mit den beiden letzten Blättern tapfer den Naturgesetzen trotzt. Daneben liegt eine halboffene Schachtel Pralinen, an der ein kleines Pappschild lehnt, mit der Aufschrift: Gestern wird es auch nicht besser, aber morgen war es schöner.
    »Glauben Sie eigentlich an Gott, Mr. Koschinski?«
    »Aber ... natürlich.« Mr.

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