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Harold - Einzlkind: Harold

Harold - Einzlkind: Harold

Titel: Harold - Einzlkind: Harold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Einzlkind
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für den Saab und schon gar nicht für Melvin, dessen dezidierter Zeitplan aus den Fugen gerät und der durch Harolds waghalsige Bremsmanöver das ein oder andere Karamellbonbon verschluckt. Die Begegnungen mit anderen Verkehrsteilnehmern enden in der Regel mit dem international bekannten Zeichen für Plemplem und selbst der erste Tankstopp verläuft nicht völlig reibungslos, da Harold das Einrasthäkchen des Zapfschlauchs zwar meisterhaft aktiviert, zuvor jedoch vergisst, den Tankdeckel zu öffnen. Unglücklicherweise stellt sich heraus, dass der Tankwart zwar die Statur eines Bären, aber nicht dessen Entspanntheit besitzt. Und so lässt die Belehrung im Tonfall jegliche Leichtigkeit vermissen, woraufhin Melvin es schafft, in einer kurzen Replik siebzehn Fremdwörter unterzubringen, von denen auch die Schaulustigen, die sich im Laufe des kleinen Disputs versammelt haben, nicht ein einziges zu übersetzen wissen, woraufhin der Tankwart seine Fäuste zu hulkgroßen Kürbissen ballt und auch ähnlich grün anläuft, woraufhin Melvin und Harold die Idee kommt, dass auch andere Tankstellen Benzin verkaufen. Vielleicht sogar günstiger.
    Auch die Natur ist für Harold nicht zu genießen, da seine gänzliche Existenz mit Gas, Kupplung, Bremse, Blinker, Scheibenwischer, Licht und Melvin beschäftigt ist, der über Linköping, die AB Svenska Järnvägsverkstäderna und die Svenska Flygmotor AB, über den Sturzkampfbomber Saab 17 und den ersten PKW, den, wie man ihn nennt, Ur-Saab 92001, aus dem Jahr 1947 doziert. Harold hat nicht den Eindruck, dass diese Informationen positiven Einfluss auf sein fahrerisches Talent nehmen, geschweige denn seine Konzentration pfleglich behandeln. Und weitaus lieber würde er seiner noch recht jungen Leidenschaft frönen, der Betula pendula. Im Hyde Park ist sie ihm vor einigen Monaten begegnet, doch es ist nicht das Äußere, das ihn anzieht, nicht die weiße Rinde mit den tief gefurchten schwarzen Längsrissen, die Zweige mit den zahlreichen Korkwarzen oder die wechselständigen gestielten Laubblätter. Das Aussehen ist ihm im Grunde vollkommen egal, es ist die Verästelung, die seine Aufmerksamkeit erheischt, dieses auf den ersten Blick undurchschaubare Geflecht der mannigfaltigen Schöpfung, welche die festgewurzelte Erhabenheit in all ihrer Pracht für den Erblickenden visualisiert. Stundenlang kann er vor einer Hängebirke stehen und ihre einzelnen Äste zählen, wobei er sich von unten nach oben vorarbeitet und den Ostwind fürchtet, der ein völlig neues Bild zustande bringen kann und Harolds Unterfangen auf eine harte Probe stellt. Doch selbst wenn kein Lüftchen weht und die Birke wie in Öl gemalt verweilt, hat Harold bei 2.500 Ästen meistens seinen schwachen Punkt, die Konzentration lässt nach, er verzettelt sich, und das ein oder andere Mal kommt er nicht umhin, wieder ganz von vorne anzufangen. Sein hochgestecktes Ziel ist, sich eines Tages an die Trauerweide heranzuwagen, die ja ob des dicht hängenden Blattwerks eine weit größere Herausforderung darstellt. In zwei bis drei Monaten möchte er so weit sein.
    Nun aber, da Harold sein Training hintenanstellen muss, da er sich zum wiederholten Male in einer Situation befindet, die seiner Vorstellung von einem vorzeitigen Ruhestand keinen Nährwert liefert, empfängt ihn eine innere Unruhe, die er zwar nicht näher zu beschreiben weiß, von der er jedoch ahnt, dass sie nicht unbegründet ist, dass sie nicht unbegründet sein kann, zumal es nur noch vier Meilen bis zu ihrem ersten Ziel sind und Melvin kaum noch spricht, geschweige denn doziert, worüber Harold wiederum nicht näher nachdenken mag, da sich das bisschen Leben schon genug verkompliziert hat und sein Magen rebelliert, als seien ihm tausend Jahre Hunger widerfahren.
    16
    »Nein ... einen Ausflug ... ins Museum ... Kandinsky ... Ma, mach dir keine Sorgen, alles ist gut ... nein ... ich dich auch.« Melvin legt auf, verstaut das Handtelefon wieder in die Innentasche seiner Jacke und starrt auf die Ausdrucke seines Routenplaners. Er wickelt ein Karamellbonbon aus der Plastikfolie und stopft es in den Mund, er hat vergessen, dass dort kein Platz mehr ist, dass dort bereits der Jahresbedarf an Karamell für eine vierköpfige Familie als zähe Masse klumpt. »Die nächste links, die zweite rechts und die erste wieder links.« Nur noch wenige Minuten bis zum ersten Kontakt, vielleicht bis zum Ende der Reise, vielleicht aber auch nicht. Denn irgendwie hat Harold das Gefühl,

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