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Harold - Einzlkind: Harold

Harold - Einzlkind: Harold

Titel: Harold - Einzlkind: Harold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Einzlkind
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das linke Bein abgebissen, als erste Warnung.
    »Wie Sie vielleicht wissen, habe ich keinen Vater. Vielmehr habe ich einen Vater, nur ist er mir persönlich nicht bekannt.«
    Das findet Harold sehr traurig, aber jetzt wird er doch langsam müde. Er versucht zu gähnen, zweimal. Es war ja doch ein anstrengender Tag.
    »Meine Ma spricht nicht über ihn, sie blockt bei dem Thema entschieden ab, sie sagt, dass sie nicht mal seinen Namen kenne. Sie lügt.«
    Wenn Harold nicht wüsste, dass die sanitären Einrichtungen in Krankenhäusern das Las Vegas der Keime, Viren und Bakterien sind, könnte er sich sehr gut vorstellen, diese jetzt aufzusuchen.
    »Ich habe einen Brief gefunden. Von meinem Vater. Datiert auf den 16.12.1998. Er liegt in der Geheimschatulle, in der meine Ma ihre wichtigen Andenken und Devotionalien aufbewahrt. Das Sicherheitsschloss hat eine Zahlenkombination, die für jeden halbwegs begabten Tüftler und Entdecker eine Beleidigung darstellt. Ich habe eine Kopie des Briefes angefertigt, die ich seit zwei Jahren bei mir trage.« Melvin nestelt eine Kette um seinen Hals hervor, an der ein kleiner Anhänger in Form einer Urne befestigt ist, er öffnet den kleinen Schraubverschluss, stülpt ein pergamentdünnes Papier heraus, entrollt es, rückt die Brille mit dem rechten Zeigefinger die Nase hinauf und räuspert sich zweimal.
    »Liebe Denise! Ich weiß, dass du mich immer nur als einen Unfall betrachtet hast, und du weißt, wie sehr ich es bedaure. Aber dass du dich zu einer Abtreibung entschieden und diese ohne mein Wissen vollzogen hast, kann ich dir nicht verzeihen. In meinen Träumen wird unser Kind leben, es wird ein Sohn sein, er wird groß und stark werden, vielleicht wird er Fußballer oder Musiker, meine Sehschwäche wird er erben und deine wundervollen Lippen. An Sonntagen werden wir Drachen steigen lassen, und wenn er das erste Mal verliebt ist, werde ich seine Freude und seine Trauer mit ihm teilen. Untröstlich, dein Jeremiah.«
    Melvin atmet kurz auf, derweil Harold versucht, wie James Cagney in Yankee Doodle Dandy zu blicken, als dieser von Präsident Roosevelt empfangen wird.
    »Auf dem Briefumschlag ist auch der Nachname meines Vaters zu erkennen. Newsom. Jeremiah Newsom. Meinen Recherchen zufolge gibt es in ganz Großbritannien und Irland genau fünf Jeremiah Newsoms. Wissen Sie, Harold, ich würde meinen Vater wirklich gerne kennen lernen, bevor es vielleicht zu spät ist. Meine Ma ist glücklicherweise nicht mit dem Auto nach Toulouse gefahren. Ich weiß, wo die Autoschlüssel liegen. Wir könnten uns morgen schon auf den Weg machen. Und wenn wir meinen Zeitplan einhalten, wären wir rechtzeitig wieder zuhause. Sie werden mir doch bei der Suche behilflich sein, oder?« Melvin benutzt den Seehundblick, den er seiner Mutter immer schenkt, wenn er eine neue Enzyklopädie der Gartengehölze oder ein Eis möchte.
    Ganz bestimmt nicht.

Sonntag
    15
    Vor 27 Jahren fuhr Harold das letzte Mal ein Automobil. Es gehört zu den Dingen, die man nie verlernt. Hat Harold gelesen. Und wie so oft, sieht er sich getäuscht, von dem, was in den Zeitungen steht, von den Nachrichten, Untersuchungen, Statistiken, Meinungen und Wahrheiten, von dem, wie die Welt ist und wie sie zu sein hat. Der Saab 900 sei ein Liebhaberauto, wie Melvin erklärte, ein Auto für Individualisten und Freigeister, fernab der genormten deutschen, japanischen und amerikanischen Einheitskarossen, welche nur das in Stahl und Plastik gegossene Antlitz der menschlichen Natur in ihrer uniformierten Seichtigkeit darstelle. Und deshalb habe es der Saab auch verdient, mit Respekt behandelt zu werden, so als sei er ein Wesen, das man loben und schelten solle, je nach Benimm, was natürlich albern sei, aber so habe es Melvins Ma auch all die Jahre gehalten und sie sei immer gut damit gefahren, und abgesehen von einem verlorenen Auspuff und der ein oder anderen ermüdeten Zündkerze sei es nie zu größeren Komplikationen gekommen.
    Seit einer knappen Stunde sind sie jetzt unterwegs. Die wildwütigen Reaktionen, die das Gasgeben hervorruft, die unkontrollierten Sprünge vorwärts, gefolgt von einem abrupten Absterben der Motorengeräusche, wie auch die schmerzhafte Erfahrung, wenn der Kopf gegen ein Lenkrad knallt, haben das erste Kennenlernen verkompliziert und sind nur vage mit dem aufregenden Kribbeln eines romantischen Kerzendinners in Einklang zu bringen. Und so sind die ersten dreißig Meilen auch kein Vergnügen, weder für Harold noch

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