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Harold - Einzlkind: Harold

Harold - Einzlkind: Harold

Titel: Harold - Einzlkind: Harold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Einzlkind
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vor die Turnschuhe geworfen wird und traumatisiert für den Rest seines Lebens nie wieder Rühreier anrührt?«
    »Eigentlich nicht.«
    »Dann seien Sie doch bitte so lieb und schauen in Ihrem exquisiten Fundus noch einmal nach einer entsprechenden Garderobe, die nicht unzweifelhaft indiskutabel ist. Und hätten Sie vielleicht ein Kaltgetränk?«
    »Es ist jetzt 19 Uhr 56.«
    »Und?«
    »In genau vier Minuten schließe ich mein Geschäft, ob mit oder ohne diese beiden Kostüme.«
    Ohne. Harold ist definitiv für ohne. Es muss Grenzen geben. Es gibt immer Grenzen. Die Natur will es so, die Physik, das Leben, das Universum. Der Mond fällt ja auch nicht einfach so vom Himmel. Und Harold hat seine eigene Umlaufbahn in den letzten Tagen mehr als einmal zu viel verlassen. Melvin aber geht blitzschnell die Alternativen durch, er hat die Zeit vollkommen aus den Augen verloren, etwas, das ihm sonst nie passiert, und hätte er eine Wahl, würde er Jakob Isaakstein einen schönen Tag wünschen und fortan einen großen Bogen um jeden Kostümverleih machen.
    »Nun gut, wir nehmen den Wahnsinn für den halben Preis.«
    »Tut mir leid.«
    »Bitte?«
    »Wir haben zurzeit keine Sonderangebote.«
    »Dann geben Sie uns eben Cäsar und Kleopatra.«
    »Tut mir leid.«
    »Bitte?«
    »Ausverkauft.«
    »Dann eben ...«
    »Ausverkauft.«
    Melvin schiebt mit seinem rechten Zeigefinger die Brille seine Nase hinauf und fixiert Jakob Isaakstein mit einem Blick, der selbst in brasilianischen Favelas für Respekt sorgen würde. Er weiß ganz genau, wann er in der stärkeren Position ist und wie er einen jüdischen Geschäftsmann in die Knie zwingen kann. Eine leichte Übung.
    »Dann werden Ihre einzigen Kunden eben ohne ein Kostüm Ihr Geschäft wieder verlassen.«
    Genau.
    32
    Es ist ein lauwarmer Herbstabend mit einer sanften Windbrise und dem Geruch nach Apfelmus, der an das Gute im Menschen glauben lässt, der das Versöhnliche wie eine Fata Morgana zum Greifen nahe anpreist. Die Bäume rascheln alte Blätter auf die Straßen und Gehwege, aus den großzügigen Einfamilienhäusern schwirrt molliges Licht und in der Ferne kreischen Katzen sich Nettigkeiten entgegen. Harold und Melvin haben einen Parkplatz in der Nähe gefunden. Es sind nur hundert Meter bis zu der Adresse, die Jerry ihnen genannt hat. Es gibt Menschen, die laufen hundert Meter in weniger als zehn Sekunden. Und auch wenn Melvin die eigene wie auch Harolds läuferische Begabung wohlwollend als griechische Tragödie betrachtet, so sieht er dennoch gute Chancen, unbemerkt die Party zu erreichen. Gefährlich sind nur die Laternen, die alles wie für einen Hollywoodfilm ausleuchten, als käme jeden Moment Sophia Loren um die Ecke. Schlimm genug, wenn es ein einfacher Spaziergänger wäre. Weder Melvin noch Harold legen Wert auf eine Begegnung mit unkostümierten Menschen, auf eine Erklärung, warum sie in dieser Aufmachung so spät am Abend durch die Gegend watscheln, warum Jakob Isaakstein ein so unangenehmer Verhandlungspartner ist und wieso überhaupt die Polizei nichts unternimmt.
    Nur noch eine Querstraße, dann muss das Haus schon zu sehen sein, keine vierzig Meter mehr und Harold fängt schon an zu transpirieren, in diesem unhandlichen Kopf, und als er gerade das Ende der Hecke erreicht, stößt er beinahe mit einem Hund zusammen, der jedoch im letzten Moment erschrocken zur Seite springt und mit weit aufgerissenen Augen das Gegenüber anstarrt. Er hat noch nie in seinem Leben ein so großes Huhn gesehen, und ein Ei mit Brille und Beinen, das laufen kann, ist ihm auch zutiefst suspekt. Weshalb er nach dem ersten Schock seiner ureigensten Bestimmung gewahr wird: Bellen. Hysterisch. Einzig die Leine, die ein ebenso verstörter Halter mit zittrigen Händen hält, schützt alle Beteiligten vor unvorteilhaften Kontakten. Melvin fixiert den sich an die Hecke drückenden Hundebesitzer und schreit ihm im Vorbeigehen ein »Kostümparty!« entgegen.
    Mit jedem Meter Entfernung wird das Gebell schwächer, es wird kläglicher, bis nur noch die schrillen Laute durchdringen und schließlich selbst diese verstummen. Nr. 23. Das Haus passt nicht in diese Gegend. Es ähnelt vielmehr einer kalifornischen Sommerresidenz, flach, mit breiten Fensterfronten, einer verschiebbaren Terrassentür und warmen Farben im engen Spielraum zwischen Apricot und Terrakotta. Zitternde Lichter flackern in den Fenstern, aber hineinsehen lässt sich nicht, die cremefarbenen Lamellenvorhänge bieten einen

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