Harold Shea 03 - Die Stählerne Festung
einem sumpfigen Tal, das sie, bis zu den Knöcheln im Schlamm, am Rand eines Teichs durchwaten mußten. Shea fuhr zusammen, und Polacek blieb stehen, als sie weiße Haut und hauchdünne Flügel aufblitzen sahen; vermutlich Wasserfeen, die sich eilends vor ihren Blicken verbargen. Echegaray stapfte ohne sich umzusehen weiter, und sie mußten ihm folgen.
Danach verengte das Tal sich wieder. Die Bergwand rückte auf ihrer Seite des Bachs so nah heran, daß sie ihn über eine aus einem Baumstamm geformte Brücke überqueren mußten. Echegaray schritt so selbstverständlich darüber hinweg, als handelte es sich um eine breite Ebene. Shea folgte ihm mit einigen Schwierigkeiten. Mit wedelnden Armen hielt er das Gleichgewicht und rettete sich schließlich mit einem Sprung nach vorn. Polacek steckte die Daumen in seine Schärpe und versuchte, den sicheren Schritt des Jägers zu imitieren, achtete aber nicht auf seine Füße und fiel hinein.
»Zeit zum Essen«, sagte der Jäger, als Polacek aus dem flachen Gewässer herauskraxelte. Der junge Psychologe rieb sich das Schienbein und fluchte so unflätig, daß sich die Blätter an den Bäumen vor Scham einrollten.
Echegaray ließ sich abrupt auf der Kante des Brückenstamms nieder, nahm sein Bündel ab und holte ein Stück Brot und eine Scheibe getrockneten Fleischs heraus. Beides teilte er routiniert mit dem Messer in drei Teile, dann wies er auf den Bach. »Wasser«, sagte er.
Während sie kauten und die ermüdeten Muskeln beugten, sagte Polacek: »Sag mal, Harold, woher weißt du, wohin wir gehen und ob wir Roger dort finden?«
»Ich weiß es gar nicht«, antwortete Shea. Er wandte sich an den Jäger. »Wieso sind Sie sicher, daß wir Roger in dieser Richtung finden?«
»Der beste Platz«, erwiderte Echegaray mit vollem Mund.
»Ja, ja, aber wo sind wir eigentlich?« Er zog ein Stück Pergament hervor, auf dem Atlantes eine Landkarte skizziert hatte, als der Beschluß zu ihrem Unternehmen gefallen war. »Wir haben uns in diesem Tal so oft gedreht und gewendet, daß ich nicht mehr sicher bin, in welcher Richtung die Burg liegt.«
»Magie?« fragte Echegaray und zeigte auf die Karte.
»Nein. Nur eine Landkarte.«
»Eine was?«
»Eine Landkarte. Ein Bild von der Umgebung mit den Straßen, Burgen und solchen Sachen.«
»Magie«, sagte Echegaray bestimmt.
»Okay, es ist Magie, wenn Sie es so wollen. So, und jetzt zeigen Sie uns, wo wir auf der Karte sind.«
»Sind wir nicht«, meinte Echegaray.
»Was meinen Sie damit: >Sind wir nicht So weit können wir nicht sein, daß wir die Karte schon verlassen haben.«
»Nie auf Karte. Wir sind auf Baumstamm.« Er klopfte auf das Holz, um seine Worte zu unterstreichen.
Shea seufzte auf. »Ich will doch nur, daß Sie mir die Stelle auf der Karte zeigen, die dem Ort entspricht, an dem wir uns jetzt befinden.«
Echegaray schüttelte den Kopf. »Verstehe Magie nicht.«
»Ach, zum Teufel mit Magie. Gucken Sie hier drauf! Dort ist die Burg Carena.«
»Nein. Burg ist weit weg von hier. Wir gehen schnell.«
»Nein, nein! Diese Stelle auf der Karte bedeutet Burg Carena. Jetzt wollen wir wissen, wo wir sind auf der Karte.«
Echegaray schob seine Lederkappe zurück und kratzte sein kurzes, schwarzes Haar. Dann hellte seine Miene sich auf. »Wollen uns auf Karte?«
»Ja. Allmählich begreifen Sie's.«
Der Jäger nahm Shea die Karte aus der Hand, faltete sie zweimal, legte sie auf den Boden, glättete sie und stand auf.
»Hee!« schrie Shea. Er packte Echegaray bei der Schulter und stieß ihn in dem Moment zurück, als sein Stiefel sich auf das Pergament senkte. »Was soll das, auf meine Karte zu treten?«
Mit resigniertem Gesichtsausdruck setzte sich der Jäger wieder. »Sagten doch, wollten uns auf Karte. Zauberteppich, nicht?«
»Nein. Ich habe nicht gemeint, daß Sie sich auf die Karte stellen.« Wie, zum Teufel, fragte sich Shea, konnte man einem eingleisigen Kopf wie diesem die Prinzipien der Semantik erklären?
»Warum sagen Sie das nicht? Erst wollen Sie uns auf Karte. Dann wieder nicht. Wissen nicht, was Sie wollen. Noch nie solche Leute gesehen.«
Shea faltete die Karte zusammen und steckte sie in seine Schärpe zurück. »Vergessen wir's. Wieso glauben Sie, Roger in dieser Richtung finden zu können?«
»Der beste Platz.«
»Eins-zwei-drei-vier-fünf-sechs-sieben. Warum, ist es der beste Platz? Wieso sollte er eher in diese als in irgendeine andere Richtung gehen?«
»Kreuzweg. Ritter kämpfen immer an
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