Harold Shea 03 - Die Stählerne Festung
entschied er nach einem schnellen Blick, es gab keine Chance, die Initiative zu ergreifen und Belphegor zu befreien. Zu viele von diesen Burschen hielten scharf geschliffene Krummsäbel in der Hand.
Lord Dardinell schien das Interesse an ihm verloren zu haben.
»Bindet die Jungfer, aber nur leicht und mit Seidenbändern«, befahl er. »Medoro, du nimmst diesen neuen Krieger mit zu deiner Truppe und läßt ihn bewaffnen; und dein Mut soll verantwortlich für den seinen sein.«
Als das Mädchen vorbeigeführt wurde, blickte sie zu Medoro und nicht zu Shea, der einen Stich ins Herz fühlte. An der Straße waren mehrere Pferde angebunden, eins davon wurde ihm als Reittier zugewiesen. Es war verflixt schade, daß es keine Gelegenheit gab, zurückzugehen, um dem Wirt eins zu verpassen, aber das mußte warten, bis wichtigere Dinge bereinigt waren.
Shea stöhnte leise, als er in den Sattel stieg, denn nach dem langen Zentaurritt waren seine Muskeln so hart wie Stahlkabel. Aber unter der groben Massage des Sattels entkrampften sie sich schnell, und Shea war in der Lage, einigermaßen bequem zu reiten.
Es war bereits nach Mittag, die Kavalkade trabte unter einer heißen Sonne dahin, als Shea der Gedanke kam, daß nach diesem Erlebnis Magie alleine wohl nicht mehr ausreichen würde, seine Frau dazu zu überreden, in einem Bett mit ihm zu schlafen.
11
Ohne jede Ordnung waren die Zelte kreuz und quer aufgebaut. Über dem Lager lag ein Geruch, der darauf hindeutete, daß die sanitären Einrichtungen primitiv waren. Moslems aller Körpergrößen und Hautfarben wanderten zwischen den Zelten umher; es war kaum zu erkennen, daß es sich bei ihnen um eine Armee handelte, vielmehr wirkte das Ganze eher wie ein orientalischer Basar. Kleine Gruppen stritten sich und feilschten oder stritten nur so; schlafende Männer ignorierten die Fliegen, die über ihre Haut krochen; von irgendwoher klang es metallisch wahrscheinlich ein Schmied. Als die Kavalkade durchs Lager ritt, hörten die Streithähne zu streiten auf, und einige der Schlafenden setzten sich auf.
Lauthals gaben sie ihre eher persönlichen Kommentare über Belphegor ab, die bis zu intimen Details gingen. Shea fühlte, wie seine Gesichtshaut zu brennen begann, und fing an, eine lange Reihe ausgeklügelter Martertechniken für diese ordinären Lümmel zu erfinden. Belphegor jedoch schenkte den Bemerkungen nicht die geringste Aufmerksamkeit, als sie im Damensitz ihr Pferd wurde von einem Sarazenen geführt an den Männern vorbeiritt. Seit ihrer Gefangennahme hatte sie nicht mehr mit Shea gesprochen. Er konnte es ihr nicht verübeln. Schließlich war es sein Fehler gewesen, sich vor dem schurkischen Wirt nicht genügend in acht genommen und die Warnung des Zwergs falsch verstanden zu haben. Nachdem sie ihm aus der Patsche geholfen hatte, war seine Revanche sehr dürftig ausgefallen. Trotzdem blieb die Frage . . .
Medoro berührte seinen Arm. »Wir reiten hier entlang«, sagte er und bog, gefolgt von drei oder vier anderen, nach links. Kurz darauf kamen sie vor einem großen gestreiften Zelt an. Davor stand ein Pfahl, an dem etwas hing, das wie ein Pferdeschwanz aussah. Medoro stieg vom Pferd und öffnete die Eingangsklappe des Zelts. »Tritt ein, o Harr!«
Drinnen war es wenigstens kühler als im Freien. Medoro führte ihn zu einem Teppichstapel vor einer Trennwand aus Stoff, die den äußeren vom Innenraum abteilte, und ließ sich im Schneidersitz nieder. Soweit Shea, der kein Fachmann für orientalische Teppiche war, es beurteilen konnte, waren diese hier sehr wertvolle Exemplare. Der junge Mann klatschte in die Hände und sagte zu dem dünnbärtigen Diener, der aus dem Inneren erschien: »Bring Brot und Salz. Und Sherbet.«
»Hören heißt gehorchen«, sagte der Mann und ging in gebückter Haltung hinaus. Medoro starrte versonnen eine Minute lang auf den Teppich vor sich und sagte dann: »Möchtest du einen Barbier haben? Denn ich sehe, daß du, wie ich selbst, der fränkischen Sitte, das Gesicht zu rasieren, anhängst und schon seit langem das Vergnügen dieser Art der Reinigung entbehrt hast.«
»Kein schlechter Gedanke«, bestätigte Shea und strich über sein Reibeisenkinn. »Was haben sie eigentlich mit ihr vor?«
»Es steht geschrieben, daß der Baum der Freundschaft nur neben dem Brunnen der Gewißheit wachsen soll«, sagte Medoro und verfiel wieder in Schweigen, bis der Diener, gefolgt von zwei weiteren Bediensteten, zurückkam. Ersterer trug einen
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