Harold Shea 03 - Die Stählerne Festung
der Befehlsstimme wandte sich um: ein hochgewachsener Mann mit einem unerfreulichen Mondgesicht. »Sucht nach, ob dem so ist!« befahl er einem der Männer, die Shea festhielten. Dieser sah ein, daß Widerstand zwecklos war.
»Fürwahr, Fürst Dardinell«, sagte der Mann, »er hat vierzehneinhalb Dirhams.«
»Gebt sie dem Wirt«, ordnete Dardinell an und wandte sich wieder an diesen: »Nach der Stunde des zweiten Gebets wartest du morgen in meinem Zelt auf mich, wenn ich mir diese fränkische Jungfer gründlich zugeritten haben werde. Ist sie tatsächlich das unbestiegene Füllen, wie du erklärt hast, wird deine Belohnung das Zehnfache dieser Summe betragen. Wenn nicht, dann nur das Doppelte.«
»Hee!« schrie Shea. »Das geht nicht! Sie ist meine Frau. Ihr könnt doch nicht einfach . ..«
Einer der Männer schlug Shea übers Maul, während Dardinell sich mit verfinsternder Miene dem Mädchen zuwandte. »Ist das die Wahrheit?« fragte er.
Bevor sie antworten konnte, schaltete sich eine weitere, irgendwie kieksige Stimme ein: »Oh, Fürst Dardinell, das kann nicht sein. Als wir dieser Jungfer kürzlich in Burg Carena begegneten, war sie mit Gewißheit weder Ehefrau noch Witwe, sondern eine freie Maid der Wälder, eine Inspiration der Dichtkunst.«
Mondgesicht leckte sich die weichen roten Lippen. »Es gibt nur eine Abhilfe«, sagte er, »nämlich diesem fränkischen Hund den Kopf abzuschlagen. Falls die Jungfer vermählt ist, dann wird sie verwitwet sein.«
»Doch es steht geschrieben«, sagte die andere Stimme, die, wie Shea feststellte, einem olivenhäutigen jungen Mann mit feingeschnittenen Zügen gehörte, »daß man auch Ungläubigen gegen- über nicht ungerecht handeln soll, damit es einem nicht am letzten Tag vorgehalten wird. Ebenso ist es Gesetz, daß, selbst wenn diese Jungfer heute noch Witwe wird, die dreitägige Zeremonie der Reinigung notwendig ist, bevor man sich zu ihr legen darf.
Daher schlage ich vor, mein Fürst, daß wir beide an sicherem Ort festhalten, bis ein ausgebildeter Kadi den Pfad der Wahrheit in diesem Dickicht der Vorschriften finden kann. Und war es nicht Euer eigenes Wort, daß wir hier einen guten Arm haben, dem Propheten, auf dessen Namen Frieden ruhen möge, zu dienen? Doch was soll der Arm ohne einen Kopf, ihn zu lenken, nutzen?«
Lord Dardinell legte eine Hand ans Kinn und beugte den Helm, auf dessen Spitze ein Halbmond thronte. »Oh, Medoro«, sagte er schließlich eher widerwillig, »du sprichst gewandter als ein Doktor der Rechte und dazu auf eine Art, die einen glauben macht, du habest selbst ein Auge auf die Jungfer geworfen. In deinem Dogma jedoch kann ich keinen Fehler entdecken.«
Shea, der die ganze Zeit den Atem angehalten hatte, seufzte erleichtert auf; die Sarazenen murmelten zustimmend.
Dardinell trat zu Shea und fühlte seinen Bizeps. »Wie bist du hierher gekommen, Franke?«
»Ich hatte, so könnte man es ausdrücken, einen kleinen Streit mit einigen Paladinen des Kaisers«, antwortete Shea. Das müßte ihn eigentlich in ein günstiges Licht rücken und hatte zudem den Vorzug, die Wahrheit zu sein.
Dardinell nickte. »Bist du ein erprobter Kämpfer?«
»Ein paar Scharmützel habe ich hinter mir. Wenn Sie eine kleine Demonstration wünschen, dann befreien Sie mich von dem Herrn, der meinen rechten Arm hält...«
»Das wird nicht nötig sein. Wirst du dem Amir Agramant in diesem Krieg treu dienen?«
Warum eigentlich nicht? Shea fühlte, daß er den Paladinen nichts schuldete, während eine bejahende Antwort ihn zumindest so lange am Leben ließ, daß er etwas Neues ersinnen konnte. »Okay, wo muß ich unterschreiben? Ich schwöre, eurem gerechten und gnadenreichen Amir zu dienen etcetera, so wahr mir Allah helfe.«
Erneut nickte Dardinell, fügte aber hinzu: »Selbst wenn der Kadi entscheidet, daß deine Heirat mit dieser Jungfer rechtens ist, ist nicht daran zu denken, daß du wieder ihr Besitzer wirst. Denn mein Wunsch ist es, daß du ihr die Scheidung erklärst. Doch wenn du dich bewährst, gebe ich dir aus unserer Beute sechzehn andere Jungfern, jede mit einem Gesicht rund wie der Vollmond. Wie ist dein Name?«
»Sir Harold Shea.«
»Sir Harr al-Shayk. Wie verwunderlich; er trägt Nazarenerund Moslemtitel! Wie bist du zum Häuptling geworden?«
»Geerbt«, antwortete Shea mehrdeutig. »Grenzlandfamilie, Sie verstehen«, fügte er hinzu und dachte an die Carenas. Er fühlte sich erleichtert, als der Griff um seine Arme sich lockerte. Nein,
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