Harold Shea 03 - Die Stählerne Festung
verhehlt werden, daß diese fränkischen Klingen ihre Schärfe schnell verlieren.«
»Trotzdem möchte ich mir eine anschauen. Wenn sie nichts taugt, nehme ich den längsten und am wenigsten gekrümmten Säbel, den du finden kannst. Und mit einer Spitze!«
»Möge Allah mich mit dem Tode strafen, wenn Ihr nicht einer der Krieger seid, die mit dem geraden Stoß nach vorn kämpfen! Mein Vater, der Schmied beim Prinzen von Hind war, hat erzählt, daß es in jenem Land solche gab, aber noch nie hatten meine Augen die Freude, einen von ihnen leibhaftig vor sich zu sehen.«
Medoro öffnete die Augen, klatschte in die Hände und sagte zu seinem Kammerdiener: »Eine neue Laute! Und sag dem Koch, er soll das Fleisch für die Abendmahlzeit meines Gastes aufsetzen.«
»Wirst du nicht essen?« fragte Shea.
»Beklemmung umschnürt meine Brust. Ich werde von der Nahrung des Denkens speisen.« Er nahm die neue Laute, schlug sie ein paarmal an und produzierte dann einen langen heulenden Ton, als kratzte eine Nadel über eine Fensterscheibe.
Der Waffenmeister verbeugte sich noch immer mit viel Getue.
»Mir ist die Erkenntnis gekommen, o Fürst des Zeitalters«, sagte er, »daß eine Rüstung mit ungewöhnlicher Stärke an Schultern und Oberarm vonnöten ist. . .«
Medoro setzte die Laute ab. »Hinfort!« schrie er. »Größter aller Lärmer, dessen Mutter mit einem Schwein das Lager teilte! Mach deine dumme Rüstung, wenn es sein muß, und schick sie hierher
aber schweigend!«
Als der Waffenmeister hinausgeeilt war und der Diener begann, das Geschirr vor Shea aufzubauen, wandte der junge Mann sich wieder seinem Lautenspiel und Gesang zu. Es war nicht gerade die ideale Tafelmusik. So gut er konnte, aß Shea die klebrige Masse vor sich ohne Gabel. Sie bestand aus Griesbrei, mit Haut und Haar gehäckseltem Hammel und einer höllisch scharfen Soße, aber Shea war zu heißhungrig, um sich daran zu stören. Dann wurde Kaffee gebracht, der genauso widerlich süß war wie der in dem Gasthaus. Medoro legte die Laute beiseite, um auch eine Tasse zu trinken. Als er sie mit gezierten Bewegungen an den Mund führte, fragte Shea:
»Was beschäftigt dich so? Du verhältst dich, als habest du deinen letzten Freund verloren.«
»O nein«, erwiderte Medoro, »ich habe einen gefunden, aber. . .«
Und damit setzte er die Tasse wieder ab, nahm die Laute zur Hand und sang:
»Verbittert das Herz,
Das der Liebe entbehrt.
Ach, Ärmster, der in seinem Schmerz
Den Tränen freien Lauf gewährt.«
Shea war vom Pathos der Zeilen nicht gerade überwältigt, aber Medoro legte die Laute nieder und begann zu schluchzen.
»Reiß dich zusammen, Junge!« meinte Shea aufmunternd.
»Geht es um unsere Freundin Belphebe Belphegor, meine ich?«
»So ist es. Hast du die Wahrheit gesprochen, als du gesagt hast, sie sei deine Ehefrau? Oder war das eine List, um Fürst Dardinell aufzuhalten?«
»Tja«, begann Shea, »das ist eine lange und komplizierte Geschichte . ..«
»Nein, hab' keine Scheu, deine Seele einem Kameraden des Brotes und des Salzes zu öffnen. Wahre Freundschaft erhebt sich über die niedere Schwäche der Eifersucht, wie der Philosoph Iflatun sagt.«
Shea kalkulierte seine Erwiderung mit der Sorgfalt eines Scharfschützen. »Ich habe sie eine Zeitlang gekannt. Doch jetzt ist ihr Stand genau der, den sie auch besaß, als du sie auf Burg Carena getroffen hast. Na, fühlst du dich jetzt besser?« Als Medoro nur verzückt aufseufzte, fügte Shea hinzu: »Ich meine, wir
sollten einen Rechtsanwalt oder so bemühen . . .«
»Fürwahr, Shaykh Harr«, unterbrach Medoro, »dein Geist muß vernebelt sein. Der Kadi wird ganz gewiß entscheiden, daß es nur rechtens ist, wenn Fürst Dardinell die Jungfer beschläft. Denn wenn du nicht die Worte der Scheidung aussprichst, wird er sie veranlassen, es zu tun. Ach, was habe ich getan, daß eine Frau solchen Kummer über mich bringt? Es war offenbar, daß sie mit ihrem rotgoldenen Haar ein schlechtes Omen bedeutete. Weh mir! Ich habe die Stunden für die dreitägige Reinigung nur hinausgezögert.«
»Eins kann ich dir versichern«, sagte Shea. »Jeder, der unserer Freundin gegen ihren Willen zu nahe kommt, muß sich auf einiges gefaßt machen.«
Aber nun flössen schon wieder Medoros Tränen. Shea setzte sich zurück und dachte nach. Dieser Stoffel war so nützlich wie ein drittes Bein, auch wenn Shea versuchte, gerecht zu sein, und die natürliche Hingabe von Medoros Libido zu Belphegor
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