Harold Shea 03 - Die Stählerne Festung
Komm, Mädchen, versuch es einmal!«
Er gähnte. Der Zwerg kam mit einem Messingtablett die Treppe herauf, auf dem zwei kleine Tassen standen, von denen der anregende Duft von Kaffee aufstieg. Er setzte es auf einem der Betten ab und verbeugte sich tief. Aus alter Gewohnheit fingerte Shea eine der merkwürdig geformten Münzen heraus und hielt sie dem Schwarzen entgegen. Der kleine Mann streckte die Hand vorsichtig aus und blickte Shea ins Gesicht, als vermutete er, daß dieser ein böses Spiel mit ihm treiben wollte.
»Na los, nimm es schon!« sagte Shea. »Es ist für dich bestimmt.«
Im Nu verschwand die Münze in der Hand des Zwergs. Der Diener hielt sich das kostbare Geldstück vor Augen und gluckste vor Vergnügen. Shea nahm eine Tasse und tat einen tiefen Schluck, der ihn zum Würgen brachte. Der Kaffee war klebrigsüß, fast wie Sirup. »Ist der Kaffee hier immer so?« fragte er Belphegor.
»Es ist Kaffee. Was wollt Ihr sonst haben?« entgegnete sie, während sie an ihrer Tasse nippte.
»Du weißt doch, wie ich ihn gerne . . .« Er verstummte. Mit jemandem, der unter Gedächtnisschwund litt, hatte es keinen Zweck, das Thema wieder aufs Tapet zu bringen, es würde Belphegor nur erneut gegen ihn aufbringen. »Ich will etwas völlig anderes haben. Hee, George!«
Der Zwerg, der mit seinem Freudentanz aufgehört hatte, kam angetrabt und verbeugte sich dreimal. Shea fragte: »Hast du was von dem Zeug ohne Zucker darin?«
Der Diener schien von einer schlimmen Krankheit erfaßt zu werden, denn er hielt sich den Bauch mit beiden Händen, schwankte hin und her, zeigte auf die Tassen, legte beide Hände an ein Ohr und schloß die Augen; dann sprang er auf, rannte zum Fenster, machte eine Bewegung, als wollte er hinausspringen und zeigte auf Shea.
»Was ist los?« fragte Shea verwundert. »Kannst du nicht sprechen?«
Der Zwerg öffnete den Mund und zeigte hinein. Er hatte keine Zunge.
»Eine schlimme Sache, George«, sagte Shea und wandte sich an das Mädchen. »Was will er mir beibringen?«
Sie lachte müde. »Mir scheint, er will andeuten, daß dieser Trank so kräftig ist, daß man nach einer zweiten Tasse zum Fenster hinauszuspringen wünscht. Die eine Tasse jedenfalls wird nicht so auf mich wirken.« Sie setzte die Tasse ab, verdeckte ein weiteres Gähnen mit der Hand, suchte sich eins der am wenigsten schmutzigen Betten aus und legte sich nieder.
»Auf mich auch nicht«, sagte Shea. Zu diskutieren, wäre zu aufwendig gewesen. Er streckte sich auf einem anderen Bett aus. Wahrscheinlich lag Stroh unter dem fadenscheinigen Teppich, aber seine ermüdeten Muskeln fanden es weicher als Daunen.
»Träum süß, Mädchen!« Die Tatsache, daß es mehrere Betten gab, verhinderte zumindest dumme Diskussionen darüber, ob er sein Schwert in die Mitte legen sollte, wie es in den mittelalterlichen Liebeserzählungen gehandhabt wurde. (Als sei ein Mann zu schwach, darüber hinwegzusteigen...)
Als er in einem See des Schlafs versank, kam ihm der Gedanke, daß der Zwerg ihn womöglich hatte davor warnen wollen, daß der Kaffee vergiftet war, aber er vergaß es auch schon wieder, ehe er zu einer Regung fähig war. . .
Jemand schüttelte ihn, sein Gesicht brannte in Erinnerung eines Schlags. Der gottverdammte Wirt! »Laß das!« brummte er benommen und entwand sich dem Griff. Patsch!»Au!«
Das war zuviel. Shea rollte sich vom Bett und holte aus; jedenfalls versuchte er es, denn sofort wurden seine Hände von hinter gefesselt. Sein Blick wurde klarer. Er stand inmitten eines Kreises von Sarazenen. In einer zweiten, größeren Gruppe, in dei sich einige Männer umwandten, als er hochkam, sah er Belphegors zerzaustes Haar. Zwei Sarazenen hielten sie fest. Der eine hatte ein blaues Auge; dem anderen war der Turban verrutscht und sein Gesicht wies ein interessantes Kreuzmuster von Kratzern auf.
»O mein Fürst«, ertönte die Stimme des Gastwirts aus sicherer Distanz, »habe ich euch nicht gewarnt, daß die Franken sehr gewalttätig sind?«
»Fürwahr, du bist ein Ausbund an Weisheit«, sagte eine befehlsgewohnte Stimme. »Was soll deine Belohnung dafür sein, daß du mir zugleich eine unbezahlbare Perle für meine Liegestatt und einen hervorragenden Streitarm für meine Schlacht verschafft hast?«
»Mein Fürst, ich erbitte nicht mehr als die Sonne Eurer Gunst und die Bezahlung meiner Rechnung. Dieser üble Franke hat die Beute, die er zweifellos wahren Gläubigen geraubt hat, in seinem Gürtel stecken.«
Der Besitzer
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