Harper Connelly 01 - Grabesstimmen-neu-ok-10.12.11
er dringend eine Dusche
bräuchte.
»Ja, das
stimmt«, sagte sie mit einem feinen Lächeln. »Ich dachte, es kann nicht
schaden, wenn der Sheriff weiß, dass jemand von außerhalb ein Auge auf den Fall
hat. Jemand vom Fach. Aber keine Sorge, ich werde Ihnen alles in Rechnung
stellen.«
»Das war es
mir wert«, sagte ich. Nachdem wir uns mit Handschlag verabschiedet hatten,
stieg Phyllis in ihren BMW und verließ Sarne. Die Glückliche!
Während wir
zum Motel fuhren, klärte ich Tolliver über sein Zimmer auf, und er sagte: »Das
ist mir egal. Ich werde duschen, etwas Anständiges essen und darin ein paar
Stündchen schlafen. Anschließend werde ich aufstehen, noch mal duschen, noch
was Anständiges essen und wieder schlafen.«
»Und das
nach gerade mal 36 Stunden Gefängnis! Was, wenn sie dich eine Woche dabehalten
hätten?«
Er
schüttelte sich übertrieben. »Du kannst dir nicht vorstellen, wie furchtbar
dieses Gefängnis ist. Ich glaube, sie versuchen, die Gefangenen von einem
Dollar pro Tag zu ernähren oder so.«
»Du warst
doch schon mal im Gefängnis«, sagte ich etwas verblüfft über seine heftige
Reaktion.
»Aber damals
musste ich keine Angst haben, dass man dir was zuleide tut und dass sich die
ganze Stadt gegen uns verschworen hat.«
»Ist das
so?«
»Mir wäre
wohler zumute gewesen, wenn der berühmteste Anwalt der Stadt und der Sheriff
nicht die dicksten Freunde und in etwas verwickelt wären, was uns
hierhergeführt hat. Ich habe im Gefängnis kein Auge zugetan. Der Kerl, den sie
zu mir in die Zelle gesteckt haben, war extrem betrunken, außerdem hat er
geschnarcht und gestunken. Ich lag wach, weil ich Angst hatte, mir könnte dort
drin etwas zustoßen. Dann würden sie behaupten, ich sei auf einem Stück Seife
ausgerutscht und hätte mir den Kopf aufgeschlagen, oder ich hätte mich rein
zufällig mit dem Kopf in einer Schlinge verfangen. Und danach würden sie dich
fertigmachen.«
»Phyllis
sagt, dass wir nicht in Sarne bleiben müssen.«
»Dann reisen
wir gleich morgen früh ab.«
»Von mir aus
gern.«
Tolliver
wühlte in seinem Koffer nach sauberen Anziehsachen und verschwand im Bad. Ich
verließ das Zimmer, um ihm etwas zu essen zu holen. Ich fuhr extra zu einem
Drive-in, damit ich den Wagen nicht verlassen musste. Die Paranoia hatte mich
voll im Griff. Obwohl ich zugeben musste, dass mich viele in Same gut behandelt
hatten. Das Mädchen vom Drive-in war höflich und fröhlich, die Frau, die mein
Geld an der Tankstelle in Empfang nahm, war ebenfalls zuvorkommend, und auch
der Richter war korrekt und flott gewesen. Meine Wahrnehmung von Sarne und
seinen Einwohnern war also ziemlich verzerrt.
Was soll's,
dachte ich. Wir sind so gut wie weg.
Ich aß das
Sandwich, das ich für mich besorgt hatte, und zwar mit deutlich mehr Appetit
als während der letzten Tage. Dann legte ich mich aufs Bett und döste ein. Wie
von weit her hörte ich, dass das Wasser abgestellt wurde und wie Tolliver aß.
Die Papiertüten knisterten, obwohl er sich sehr bemühte, leise zu sein. Ich
wollte gerade richtig einschlafen, als er sich auf die andere Hälfte legte und
ich das Quietschen der Bettfedern hörte. Danach herrschte friedliche Stille,
die durch das leise Dröhnen eines Heizkörpers nur noch verstärkt wurde.
Ich schlief
nicht so lange wie mein Bruder, da ich in der Nacht zuvor etwas Schlaf bekommen
hatte. Ich schob die Vorhänge zur Seite, um einen Blick nach draußen zu werfen.
Der Himmel war grau, wahrscheinlich würde es bald regnen. Es war gegen vier Uhr
nachmittags, aber in einer Stunde würde es bestimmt schon dunkel sein. Ich
putzte mir die Zähne, kämmte mir die Haare und zog meine Schuhe an. Dann setzte
ich mich mit einem Blatt des Motelpapiers und einem Stift an den kleinen Tisch.
Ich mache gern Listen, aber ich habe selten Bedarf dafür. Ich kaufe nicht sehr
oft große Mengen Lebensmittel, die meisten Einkäufe machen wir unterwegs.
Ich
beschloss, alles zu notieren, an das ich mich erinnern konnte. Mal sehen, ob
etwas dabei herauskam.
1. Sybil
und der Sheriff waren Geschwister.
2. Sybil
und Paul Edwards hatten eine Affäre.
3. Sybils
Sohn war ermordet worden.
4. Die
Freundin von Sybils Sohn war zur selben Zeit ermordet worden.
5. Die
Freundin, Teenie Hopkins, war die Schwester der Frau von Hilfssheriff Hollis
Boxleitner, die ebenfalls ermordet wurde.
6. Sally
(die ermordete Ehefrau) starb, nachdem sie ein Arbeitszimmer geputzt hatte. Das
Arbeitszimmer von...
7. ...
Sybils
Weitere Kostenlose Bücher