Harper Connelly 03 - Ein eiskaltes Grab-neu-ok-14.12.11
verleihen.
»Nein«,
sagte er. »Du wirst ein paar Tage lang nicht reisefähig sein. Erst muss es dir wieder besser gehen.«
»Aber ich
will hier nicht bleiben«, sagte ich. »Es war eine gute Idee, den Ort zu
verlassen.«
»Ja, aber
jetzt sitzen wir hier erst mal fest«, sagte er bemüht freundlich, obwohl ich
seinen Ärger deutlich mitschwingen hörte. »Dafür hat ER gesorgt. Der Arzt
meinte, du könntest froh sein, mit einer Gehirnerschütterung davongekommen zu
sein. Er hatte schon das Schlimmste befürchtet.«
»Ich frage
mich nur, warum er aufgehört und mich nicht umgebracht hat?«
»Weil du auf
den Alarmknopf gedrückt hast und ich ziemlich schnell an der Tür war«, sagte
Tolliver. Er stand auf und begann unruhig auf und ab zu gehen. Davon bekam ich
noch mehr Kopfschmerzen. Er war sehr wütend und sehr besorgt. »Nein, ich habe
keine Menschenseele auf dem Parkplatz gesehen, falls es dich interessiert. Aber
ich habe auch nicht darauf geachtet. Ich dachte, du seist gestürzt. Kann sein,
dass er nur wenige Meter entfernt war, als ich aus der Tür kam. Und ich war
schnell.«
Ich bemühte
mich um ein Lächeln, das mir auch gelungen wäre, hätte mein Kopf nicht so
wehgetan. »Das kann ich mir vorstellen«, flüsterte ich.
»Du musst
jetzt schlafen«, sagte er, und auch ich fand es eine gute Idee, mal kurz die
Augen zuzumachen.
Das Nächste,
was ich weiß, ist, dass die Sonne durch die Vorhänge schien und um mich herum
jede Menge Trubel herrschte. Das Krankenhaus war aufgewacht. Ich hörte Stimmen
und Schritte auf dem Flur, Wagen wurden vorbeigeschoben, Schwestern kamen
herein und stellten irgendetwas mit mir an. Man brachte mir mein
Frühstückstablett mit einer großen Kanne Kaffee und grüner Götterspeise. Als
ich mir einen Löffel davon in den Mund schob, merkte ich erst, wie hungrig ich
war. Ich war selbst darüber erstaunt. Als ich feststellte, dass ich das grüne
Wabbelzeug sogar mit Genuss hinuntergeschluckt hatte, wurde mir klar, dass ich
mich nicht daran erinnern konnte, wann ich zum letzten Mal etwas gegessen
hatte. Götterspeise war besser als gar nichts.
»Du solltest
auch etwas frühstücken, ins Motel gehen und duschen«, sagte ich. Tolliver sah
mir ebenso fasziniert wie entsetzt beim Essen zu.
»Ich bleibe,
bis ich mit dem Arzt gesprochen habe«, sagte er. »Die Schwester meinte, er schaut
gleich vorbei.«
Der
grauhaarige Mann, an den ich mich noch von der vorherigen Nacht erinnerte,
stellte sich als Dr. Thomason vor. Er war immer noch auf den Beinen. »Letzte
Nacht war so einiges los in Doraville«, sagte er. »Ich habe drei Nächte die Woche
Notdienst. So hart habe ich noch nie gearbeitet.«
»Danke, dass
Sie sich um mich gekümmert haben«, sagte ich höflich, obwohl das eigentlich
sein Job war.
»Gern
geschehen. Falls Sie sich nicht mehr daran erinnern: Ich sagte ihrem Bruder
letzte Nacht, dass sie einen Haarriss in der Ulna haben.
Sie ist nur angebrochen, der Stützverband wird sie schützen. Wenn möglich,
sollten Sie ihn rund um die Uhr tragen. Der Verband muss ein
paar Wochen dran bleiben. Wenn Sie aus dem Krankenhaus entlassen werden,
bekommen Sie Kontrolltermine wegen Ihres Arms. Er wird noch ein paar Tage
wehtun. Weil sie außerdem eine Gehirnerschütterung haben, brauchen Sie
Schmerzmittel. Anschließend müssten Sie mit Paracetamol zurechtkommen.«
»Darf ich
das Bett verlassen und ein wenig herumlaufen?«
»Wenn Ihnen
danach ist, und wenn jemand dabei ist, dürfen Sie den Flur ein, zwei Mal auf
und ab gehen. Aber wenn Ihnen dabei schwindlig oder übel wird, müssen Sie
natürlich sofort zurück ins Bett.«
»Sie will
jetzt schon entlassen werden«, erklärte Tolliver bemüht neutral, was ihm
allerdings deutlich misslang.
Der Arzt
sagte: »Das halte ich für keine gute Idee.« Er sah von einem zum anderen. Kann
sein, dass ich ein wenig genervt aussah. »Sie müssen Ihrem Bruder auch etwas
Ruhe gönnen«, meinte der Arzt. »Er wird sich ein paar Tage um Sie kümmern
müssen, junge Dame. Gönnen Sie ihm eine Verschnaufpause. Sie sollten wirklich
bleiben. Wir müssen Ihren Kopf beobachten. Eine klitzekleine
Krankenversicherung werden Sie doch wohl haben?«
Nach diesen
Worten konnte ich natürlich schlecht auf eine Entlassung bestehen. Nur ein
ausgesprochen herzloser Mensch gönnt seinem Bruder keine Verschnaufpause.
Darauf verließ sich Dr. Thomason, und Tolliver auch.
Ich dachte
daran, mich so unangenehm aufzuführen, dass das Krankenhaus froh wäre, mich
loszusein.
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