Harper Connelly 03 - Ein eiskaltes Grab-neu-ok-14.12.11
Friedhofsaufträge. Man reist in eine
bestimmte Stadt, fährt raus auf den Friedhof, trifft die Hinterbliebenen, geht
aufs Grab und erzählt, was man erfahren hat. Dann steckt man den Scheck ein und
verlässt die Stadt. Sheriff Rockwell erlaubte immerhin,
dass wir uns ein Stück weit vom Ort des Geschehens entfernten.
»Lass uns
bis morgen warten«, sagte Tolliver. »Du bist immer noch recht wackelig auf den
Beinen.«
»Ich kann
mich im Auto ausruhen«, sagte ich und fühlte mich dabei wie ein Kaninchen, das
nur noch einen kurzen Vorsprung vor der Schlange hat.
»Na gut«,
meinte Tolliver mit zweifelndem Blick. Aber er spürte auch meinen verzweifelten
Wunsch, Doraville so schnell wie möglich hinter mir zu lassen.
»In
Ordnung«, sagte Sheriff Rockwell. Sie schien immer noch
über unsere Bereitwilligkeit abzureisen zu staunen. »Aber sicher will Twyla
Ihnen noch den Scheck geben und mit Ihnen reden.«
»Wir werden
mit ihr reden, bevor wir die Gegend endgültig verlassen. Wie gut kommen Sie am
Tatort voran?«, fragte Tolliver, als sich Sheriff Rockwell
erschöpft aus dem Sessel erhob und zur Tür ging.
Sie war in
Gedanken bereits woanders gewesen und drehte sich nur widerwillig um. »Wir
haben an allen Stellen tief genug gegraben, um bestätigen zu können, dass dort
sterbliche Überreste liegen«, sagte sie. »Morgen früh, wenn wir besseres Licht
haben, kommen die Gerichtsmediziner, um die Grabungen zu überwachen. Meine
Hilfssheriffs werden vermutlich im Vorfeld den anstrengendsten Part erledigen.
Klavin und Stuart werden mich auf dem Laufenden halten.« Sie schien
diesbezüglich aber so ihre Zweifel zu haben.
»Das ist
doch gut, oder?«, sagte ich, fast schon geschwätzig vor lauter Erleichterung.
»Dass die Gerichtsmediziner kommen. Sie wissen, wie man die Leichen ausgräbt,
ohne vielleicht vorhandenes Beweismaterial zu vernichten.«
»Ja, aber es
fällt uns nun mal nicht leicht zuzugeben, dass wir Hilfe brauchen. Aber wir
brauchen Hilfe.« Sandra Rockwell betrachtete kurz ihre Hände, wie um sich zu
vergewissern, dass sie zu ihr gehörten. »CNN und noch zwei andere Sender haben
sich bereits bei mir persönlich gemeldet. Deshalb sollten Sie morgen möglichst
früh abreisen oder am besten noch gleich. Und rufen Sie mich an, wenn Sie in
einem anderen Motel eingecheckt haben. Verlassen Sie auf keinen Fall den
Bundesstaat oder so. Vergessen Sie nicht, dass Sie noch mit den Leuten vom SBI
reden müssen.«
»Versprochen«,
sagte Tolliver.
Sie ging
ohne weitere Ermahnungen, und ich griff nach meinem Koffer. Ich würde keine
zehn Minuten brauchen, um draußen zu sein.
Tolliver
erhob sich ebenfalls und begann, Rasierer und Rasiercreme in seinem Waschbeutel
zu verstauen. »Warum kannst du es kaum erwarten, von hier wegzukommen?«, fragte
er. »Ich finde, du solltest schlafen.«
»Was ich
gesehen habe, war einfach zu schrecklich«, sagte ich. Ich hielt beim Packen
inne, einen zusammengefalteten Pulli in der Hand. »Ich möchte auf keinen Fall
in diese Ermittlungen verwickelt werden. Ich hol schon mal den Straßenatlas.
Wir sollten eine Entscheidung treffen, in welche Richtung wir fahren wollen.«
Obwohl ich
noch ein wenig wackelig auf den Beinen war, griff ich nach unserem
Schlüsselbund auf dem Fernseher. Während Tolliver die Vorräte in unserer
Minibar überprüfte, ging ich hinaus ins Dunkel, um das Auto aufzuschließen. Ich
machte die Tür hinter mir zu. Draußen war es klirrend kalt, und es herrschte
Totenstille. Es brannten viele Lichter in Doraville, auch eines über meinem
Kopf, aber viel änderte das nicht. Ich machte meine dicke Jacke zu und sah zum
Himmel auf. Obwohl er bewölkt war, sah ich in der Ferne Sterne funkeln. Ich
betrachte sie gern, vor allem, wenn mich mein Job fertigmachte. Sie sind groß,
kalt und sehr weit weg, und im Vergleich dazu sind meine Probleme winzig klein.
Bald würde
es schneien, ich konnte es förmlich riechen.
Ich riss
mich von dem faszinierenden Nachthimmel los und dachte an näher liegende Dinge.
Ich drückte auf den Funk-Autoschlüssel und trat von dem schmalen Bürgersteig
vor unserer Tür. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie sich etwas bewegte, und ich
drehte den Kopf.
Ein heftiger
Schlag erwischte mich am Arm, kurz unter dem Ellbogen. Heftiger Schmerz
durchzuckte mich. Ich schrie, sprachlos vor Entsetzen, und drückte auf den
Alarmknopf des Funkschlüssels. Die Hupe ging los, aber im selben Moment fiel
mir der Schlüssel aus den tauben Fingern. Ich versuchte mich
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