Harpyien-Träume
bevor ihr das Gelände verlassen dürft.«
Gloha sah sich um, doch keiner der anderen schien widersprechen zu wollen. Sie überließen es ihr. Wahrscheinlich war Mark nur zu höflich, um sich mit jemandem zu streiten, während Trent sich bedeckt hielt für den Fall, daß er irgend jemanden würde verwandeln müssen. »Was für ein gleichwertiger Ersatz?« fragte Gloha.
»Ein Schauspiel, natürlich. Diese Leute haben die anstrengende Reise über den See unternommen, um unser neues Theater aufzusuchen, und jetzt müssen sie unterhalten werden. Wenn ihr nicht unsere Bühne besetzt hättet, was unsere Truppe daran gehindert hat, ihre Kulissen aufzubauen…«
»Besetzt?« fragte Metria. Sie war zwar nur allzu gern bereit, Widerspruch einzulegen, doch damit würde sie sich und die anderen höchstwahrscheinlich in noch größere Schwierigkeiten bringen. »Dir gebe ich besetzt, du dämlicher Schnösel!« Sie begann sich aufs furchtbarste aufzuplustern.
»Was für ein Schnösel?« erkundigte sich Contumelo.
Die rauchige Gestalt hielt mitten im Aufplustern inne. »Pompös, renitent, anmaßend, herablassend, überheblich…«
»Arrogant?«
»Was auch immer«, stimmte die Halbgestalt mürrisch zu. »Oh, schau mal, was du angerichtet hast! Jetzt habe ich ganz vergessen, zu was ich mich eigentlich aufplustern wollte.«
»Vielleicht zu einem Frosch«, schlug Contumelo beinahe lächelnd vor.
»Danke.« Es bildete sich ein riesiger grüner Frosch aus. »He, Moment mal! Das war es doch überhaupt nicht!«
»Jetzt siehst du aber viel besser aus als vorher«, sagte Contumelo. Der Frosch schien im Begriff zu sein, zu einer pilzförmigen Wolke zu explodieren.
»An was für ein Schauspiel habt ihr denn gedacht?« warf Gloha hastig ein.
»An irgendwas, das wir in unserem Repertoire gebrauchen könnten«, antwortete Contumelo. »Natürlich müßten wir jedwede gräßliche Anstrengung umschreiben, die erbärmliche Schauspieler wie ihr uns antun würdet, aber wenn ihr euch erst mal eine Stunde auf der Bühne abgeplagt habt, hört euch sowieso keiner mehr zu. Manchmal holen wir uns unsere Eingebung aus den unwahrscheinlichsten Quellen.« Irgendwo in seiner Nähe schwebte ein höhnisches Grinsen, ohne jedoch richtig in Erscheinung zu treten.
Selbst Mark sah mittlerweile verärgert aus, was angesichts der knochigen Kahlheit seines Antlitzes eine ganz schöne Leistung war. Auch Griesbogen, der bis jetzt immer noch außerordentlich freundlich dreingeblickt hatte, begann die Stirn zu runzeln. Nur Trent sah weiterhin unbekümmert aus – was möglicherweise das schlimmste Warnsignal von allen war.
»Wenn wir euch also ein Stück vorführen – irgend etwas, das euch vielleicht zum Lachen bringt –, würdet ihr uns dann in Frieden ziehen lassen?« fragte Gloha in der Hoffnung, eine sich möglicherweise zum Häßlichen entwickelnde Szene abzuwenden.
»Uns bringt sicherlich schon euer bloßer Versuch zum Lachen.«
Gloha ließ einen leicht zerzausten Blick zu den anderen hinüberschweifen. »Dann sollten wir es vielleicht mal versuchen«, sagte sie verunsichert.
Da ergriff Trent das Wort. »Wir brauchen Kostüme und Kulissen.«
»Das hättest du dir vorher überlegen sollen, als du hier eingedrungen bist, Tölpel«, erwiderte Contumelo.
Trent holte zu einer Geste aus, doch Griesbogen unterbrach ihn. »Ich glaube, manche Leute merken gar nicht, was für einen Eindruck sie auf andere machen. Ich habe auch erst eine ganze Weile gebraucht, bis mir klar wurde, weshalb die Leute mich mieden, je schlimmer meine Krankheit wurde.«
Der Magier sah ihn an und nickte. Gloha war erleichtert; Contumelo war soeben eine Verwandlung erspart geblieben, die ihm ganz bestimmt nicht behagt hätte.
»Vielleicht können wir ja auch selbst für unsere Kostüme sorgen«, schlug Trent vor.
»Das möchte ich hoffen«, sagte das Fluchungeheuer. »Wir geben euch eine halbe Stunde Vorbereitungszeit. Dann erwarten wir von euch eine Vorführung. Natürlich muß jeder von euch eine Hauptrolle spielen. Wir dulden keine Faulpelze.« Er machte auf dem Absatz kehrt und stakste davon.
»Eine halbe Stunde!« wiederholte Gloha. Am liebsten hätte sie losgeschnaubt, doch dafür hatte sie nicht die richtige Nase. »Wie können die von uns erwarten, daß wir in einer halben Stunde ein Stück vorbereiten, obwohl wir nicht einmal Gelegenheit haben, Kulissen zu bauen, ein Theaterstück zu verfassen, zu proben – ja, obwohl wir noch nie im Leben so etwas gemacht
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