Harpyien-Träume
jammerndem Tonfall.
»Du spielst den Tod«, schlug Griesbogen vor.
»Natürlich!« sagte Gloha. »Dieselbe Rolle wie im Traum.«
»Im Froschprinzen?«
»Wir stoßen immer wieder auf dasselbe Problem«, bemerkte Gloha. »Es gibt keine einzige Geschichte, in der das alles zusammenkommt.«
»Aber vielleicht könnten wir ja ein Potpourri machen«, überlegte Griesbogen.
»Ein Potpourri?«
»Eine Mischung aus verschiedenen Geschichten«, erklärte Trent. »Wir könnten sie zusammenfassen, damit alle erforderlichen Rollen vorkommen.«
»Und was machen wir mit der Ausgestaltung?« wollte Gloha wissen. »Die Kostüme und so?«
»Wir werden wohl oder übel uns selbst spielen müssen«, antwortete Griesbogen. »Ich bin als Riese verkleidet, du bist als Mädchen verkleidet, Mark ist ein Skelett und Trent ist ein Mann. Metria kann jede beliebige Form annehmen. Wir sollten uns lieber auf die Handlung konzentrieren.«
»Und auf das Bühnenbild«, sagte Mark. »Es wird schwierig sein, das in der kurzen verbliebenen Zeit herzustellen.«
»Ich kann irgendwelches Ungeziefer in Mauerblümchen und Pinselblumen verwandeln«, schlug Trent vor. »Damit können wir dann Bühnenbilder schaffen.«
Jetzt kam Contumelo wieder. »Ihr habt noch fünf Minuten, bis der Vorhang sich öffnet«, verkündete er mit unverkennbarer Befriedigung.
»Wir sollten uns zusammenreißen«, sagte Trent. »Ich schlage vor, daß wir Arbeitsgruppen bilden. Metria und ich können das Bühnenbild entwerfen, Gloha und Griesbogen die Handlung.«
»Und was wird mit mir?« fragte Mark.
»Du bist unser objektivstes Mitglied. Du kannst die beiden Arbeitsgruppen koordinieren und die Ansagen übernehmen.«
»Die werden doch einem Skelett keine Aufmerksamkeit schenken!«
»O doch, das werden sie, wenn du ein Kostüm trägst.« Trent erspähte einen am Boden kriechenden Käfer und griff nach ihm. Plötzlich war er zu einem Hutbaum geworden. »Such dir einen passenden Hut aus, und trag ihn bei den Ansagen.«
Mark wählte einen hohen Zylinder und setzte ihn auf. Plötzlich sah er sehr offiziell aus.
Gloha flog auf Griesbogens erhobene Hand, wo sie sich niederließ, um bequemer mit ihm reden zu können. »Wir müssen ganz schnell mehrere Geschichten zusammenlegen«, sagte sie. »Ich hoffe, deine Phantasie ist größer als meine im Augenblick.«
»Zumindest ist mein Kopf größer.« Er überlegte kurz. »Vielleicht sollten wir mit Jakob und der Bohnenstange anfangen, um den Mann und den Riesen ins Spiel zu bringen. Dann führen wir eine gefangene Prinzessin ein…«
»Ja! Der Riese will sie auffressen…«
Griesbogen zog eine Schnute. »Nein, lieber nicht. Das wäre unhöflich.«
»Aber es ist doch nur ein Spiel. Der Riese muß bösartig sein, sonst interessiert er keinen.«
»Aber in der richtigen Geschichte möchte der Riese kostbare Dinge haben… eine Henne, die goldene Eier legt, und eine magische Harfe…«
»Wie wäre es statt dessen mit einer magischen Harpyie?« fragte Gloha lachend. »Und der Riese will sie auch nicht umbringen, er will sie heiraten. Aber sie würde sich natürlich lieber fressen lassen, und deshalb…«
Mark trat zu ihnen. »Was für ein Bühnenbild und welche Kostüme brauchen wir?«
»Eine magische Bohne, die zu einer Bohnenstange heranwächst«, sagte Gloha. »Und ein Stück Land auf einer Wolke. Und ein Schloß für den Riesen…«
»Das genügt für den Anfang«, sagte das Skelett und begab sich zu der anderen Arbeitsgruppe.
Kurz darauf kehrte er zurück. »Vielleicht wäre es besser, wenn ich die Geschichte kenne, dann könnte ich nämlich die Überleitungen erzählen.«
»Hervorragende Idee«, stimmte Gloha zu. Sie beschrieb ihm, was sie und Griesbogen sich gerade ausgedacht hatten.
Es folgten zwei weitere Minuten hektischer Koordination, dann war es Zeit für den Vorhang. Trent hatte mehrere Käfer in unterschiedliche Dinge verwandelt: zahlreiche große Mauerblümchen, einen riesigen Bettkäfer, Kissen- und Deckensträucher, eine große Schachtelesche mit roten, schwarzen und gelben Schubladen, sowie verschiedene andere Gegenstände innerhalb der Schachtel. Alle standen sie um Griesbogens zusammengekringelten Körper, der den größten Teil der Bühne einnahm. Glohas verwirrter kleiner Kopf wirbelte. War es überhaupt möglich, die ihnen gestellte Aufgabe zu meistern?
»Seid ihr bereit für euren Auftritt?« fragte Contumelo in grimmiger Schadenfreude.
Mark trat vor, wobei er einen Zylinder aufsetzte. »Jawohl.
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